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Donnerstag, 18.05.2023
Guten Tag
liebe Leserinnen und Leser,
an der Börse ist es quasi zu einem völligen Stillstand gekommen. Es geht weder eindeutig hinauf noch herunter. Doch solche Phase sind selten von langer Dauer.
Wo stehen wir? Der Aktienmarkt ist von einer sehr dynamischen Aufwärtsbewegung in eine Seitwärtsphase übergegangen. Der deutsche Leitindex Dax bewegt sich seit Anfang April seitwärts in einer engen Handesspanne: Dabei scheint ihm stets die Luft auszugehen, wenn er in Richtung 16.000 Punkte steigt. Wenn er fällt, finden sich aber spätestens im Bereich von 15.650 Punkten neue Käufer. Das entspricht einer Handelsspanne von gerade einmal zwei Prozent.
Was ist zu erwarten? In der Vergangenheit waren solche Seitwärtsbewegungen mit einer sich einengenden Handelsspanne stets Vorläufer eines deutlichen Bewegungsimpulses. Der technische Analyst Jörg Scherer von der HSBC Deutschland bemüht dafür ein Bild: „Die Feder ist extrem gespannt, irgendwann springt sie wieder auseinander.“ Das sorgt für hohe Nervosität am Markt – schließlich gibt es die Seitwärtsbewegung nur, weil die Mehrheit nicht weiß, in welche Richtung sich die Seitwärtsphase auflösen wird. Umso stärker fällt dann häufig der nächste Impuls auf, weil ihn niemand verpassen will.
Welche Risiken drohen? Auslöser für den nächsten Trend könnte der Schuldenstreit in den USA werden. Dort ringen Demokraten und Republikaner um eine Erhöhung des Schuldenlimits. Dass es letztendlich zu einem Kompromiss kommt, scheint klar. Die Frage ist nur wann. Denn den USA könnte schon im Juni das Geld ausgehen. Ein Zahlungsausfall wäre ein Novum und würde zu stark fallenden Kursen an der Börse führen. Kommt es hingegen zu einer schnellen Einigung, könnte es zu einer Erholungsrally kommen.
Was sollten Anleger tun? Für aktiv anlegende Investoren gilt es daher, genau auf die Entwicklungen in den USA zu schauen, wo sich zudem auch bald klarer abzeichnen dürfte, ob die US-Notenbank Fed ihre Zinserhöhungen tatsächlich abgeschlossen hat. Börsen-Experte Stephan Heibel vom Analysehaus AnimusX gab Anlegern im Handelsblatt deshalb folgenden Rat: Sie sollten moderat investiert sein, mit einer ausreichenden Cash-Reserve. Dann sind sie auf jeden Fall bei einer Erholungsrally dabei. Sollten die Kurse dagegen tatsächlich fallen, könnten sie mit der Cash-Reserve ihre Position günstig ausbauen.
Eine angenehme Lektüre und herzliche Grüße
Andreas Neuhaus Handelsblatt-Redakteur in Frankfurt
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Reputation von Rüstungsherstellern hat sich stark verbessert
Der Rüstungskonzern Rheinmetall kann sich vor neuen Aufträgen kaum retten. Jüngst meldete das Unternehmen mit Sitz in Düsseldorf einen neuen Auftrag der Bundeswehr für 50 neue Puma-Schützenpanzer im Gesamtwert von rund 1,1 Milliarden Euro.
Zudem hat der Konzern eine Gemeinschaftsfirma mit dem ukrainischen Unternehmen Ukroboronprom gegründet und wird dadurch zum zentralen Ausrüster vor Ort. Die Nachricht kam gut an. Die Aktie von Rheinmetall zählt mit einem Plus von 42 Prozent seit Jahresanfang zu den Topperformern im Dax.
„Bis zum Ukraine-Krieg wurden Rüstungsaktien von den Anlegern nicht mit Kneifzangen angefasst. Vor allem unter Nachhaltigkeitsgründen waren diese Aktien äußerst unbeliebt“, sagt Christian Henke, Senior Analyst beim Online-Broker IG Europe. Nun zählen Rüstungsherstellern zu den gefragtesten Papieren.
Panzer im Testeinsatz (Foto: Imago / Panama Pictures)
„Der Krieg unmittelbar vor der eigenen Haustür hat die Schwächen vieler europäischer Staaten hinsichtlich der Verteidigung gezeigt, die sich aus den Kürzungen der Rüstungsausgaben in den vergangenen Jahren ergaben“, betont Henke. Die Staaten reagieren und erhöhen ihre Militärausgaben. Der Bundestag hat ein 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen verabschiedet, das in die Modernisierung der Bundeswehr fließen soll.
Die europäischen Staaten erhöhen ihre Rüstungsausgaben. Laut dem schwedischen Friedensinstituts Sipri gaben Europäische Staaten 2022 inflationsbereinigt 13 Prozent mehr für Waffen aus als im Jahr davor. Das ist der höchste Anstieg seit 30 Jahren.
Nach Angaben von Sipri steht Deutschland mit Ausgaben von 50,8 Milliarden Euro für seine Verteidigung weltweit nach USA, China, Großbritannien, Saudi-Arabien, Indien und Russland an siebter Stelle. Die Zahlen beziehen auch Schenkungen an die Ukraine mit ein.
Profiteure dieser Entwicklung sind die Hersteller von Rüstungsgütern. „Trotz der beachtlichen Performance seit Februar 2022 sind die Rüstungsaktien noch immer interessant“, sagt Henke. Handelsblatt Geldanlage stellt Unternehmen vor, die aus Sicht von Analysten noch Potenzial auf weitere Kurssteigerungen haben.
Der deutsche Rüstungsproduzent Rheinmetall freut sich über volle Auftragsbücher. Aktuell baut Rheinmetall am niedersächsischen Standort Unterlüß eine neue Fertigungsanlage für Kalibermunition auf, um ab Sommer 2023 im Bereich der Flugabwehr den wachsenden Bedarf decken zu können.
„Die Zeitenwende und der daraus gestiegene militärische Bedarf beginnen nun, sich in konkreten Auftragserfolgen niederzuschlagen“, sagt Konzernchef Armin Papperger. Der Umsatz soll 2023 gemäß der Prognose von Rheinmetall auf 7,4 bis 7,6 Milliarden Euro steigen. In der Mitte der Spanne wäre das ein Anstieg um gut 17 Prozent. Bei der Marge basierend auf dem operativen Ergebnis peilt Rheinmetall weiter einen Anstieg auf rund zwölf Prozent an.
Die Analysten heben den Daumen. Von 16 Analysten sprechen 14 eine Kaufempfehlung aus. Zwei sind neutral gestimmt. In den vergangenen Monaten haben Analysten ihr Kursziel kontinuierlich angehoben. Ihr durchschnittliches Ziel liegt bei 294,87 Euro. Aktuell liegt der Kurs bei unter 265 Euro.
Ebenfalls positiv schätzen Analysten die Aktie von Leonardo ein. Das italienische Unternehmen gehört in Europa zu den Marktführern für Verteidigungssysteme in der Luft- und Raumfahrt. Von 17 Experten, die sich mit dem Unternehmen beschäftigen, raten 16 zum Kauf. Ein Analyst ist neutral gestimmt. Sie taxieren das Kursziel auf 13,48 Euro. Der aktuelle Kurs beträgt gut elf Euro.
Die Geschäfte laufen gut: Der Konzern meldete für die ersten drei Monate des Jahres einen Umsatz von 3,0 Milliarden Euro, ein Plus von 2,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dazu trägt vor allen die Verteidigungselektronik bei. „Wir haben alle unsere Wachstumsziele erreicht oder übertroffen“, sagte Alessandro Profumo, Vorstandsvorsitzender von Leonardo gegenüber Analysten. Das durch die Pandemie verursachte Tief sei überwunden. Das Unternehmen zahlt erstmals wieder eine Dividende.
Zu den weltweit großen Playern in der Luftfahrt- und Verteidigungskonzerne Rüstungsindustrie zählt Raytheon Technologies. Das Unternehmen ist breit aufgestellt: Rund 30 Prozent des Jahresumsatzes geht auf die Herstellung von Systemen für die Flugnavigation zurück.
Ein gleich hoher Anteil entfällt auf die Produktion von Triebwerken und Antriebssystemen. Mit einem Fünftel Umsatz ist ebenso der Bereich von Raketen und Abwehrsystemen wichtiger Teil des Geschäfts. Das Portfolio wird abgerundet durch den Bereich Sensoren und Kommunikationssysteme.
Wichtigster Abnehmer ist die US-Regierung. Das sorgt für ein hohes Maß an Stabilität. 86 Prozent des Umsatzes erzielt das Unternehmen in den USA. Der Konzern rechnet mit einem Umsatz von 72 bis 75 Milliarden Dollar im laufenden Geschäftsjahr. Analysten rechnen mit einem Umsatzwachstum von 12,8 Prozent. Der Gewinn pro Aktie soll um 13,6 Prozent wachsen.
Von 26 Analysten, die sich mit der Aktie beschäftigen, sprechen 17 eine Kaufempfehlung aus. Neun sind neutral gestimmt. Als Kursziel nennen sie 111,13 US-Dollar. Aktuell liegt der Kurs bei rund 95 Dollar.
Fazit: Aktien wie Rheinmetall oder Leonardo notieren derzeit in einem intakten Aufwärtstrend. Sollte sich eine Lösung für den Ukraine-Konflikt abzeichnen, könnte die Stimmung aber wieder drehen. Daher sollten Anleger unbedingt mit Stoppkursen investieren.
Japans Aktienmarkt legt seit Jahresstart ein beeindruckendes Wachstum hin. Der Aktienindex Topix notiert aktuell bei knapp unter 2130 Punkten und damit wieder auf dem Höchststand von August 1990.
Gleich mehrere positive Faktoren machen den Markt für Anlegerinnen und Anleger interessant: Das Land hat seine letzten Covid-19-Einreiseformalitäten erst Ende April 2023 aufgehoben. Daher liegen viele Aktivitäten wie Tourismus und Konsum im Gegensatz zu Europa und den USA immer noch deutlich unter dem Vor-Pandemie-Niveau.
Straßenszene in Tokio (Foto: Moment Getty Images)
Die Inflationsrate ist deutlich niedriger als in anderen Industrienationen; die Wirtschaft soll laut OECD mit 1,4 Prozent in diesem Jahr vergleichsweise stark wachsen.
„Aus all diesen Gründen gehen wir davon aus, dass Japan in diesem Jahr besser abschneiden wird als andere Märkte“, sagt Richard Kaye, ein auf japanische Aktien spezialisierter Analyst und Portfoliomanager beim Asset Manager Comgest in Tokio. „Darüber hinaus steigen in Japan die durchschnittlichen Dividendenausschüttungsquoten, da vor allem inländische Anleger bessere Renditen fordern.“
Das ist durchaus bemerkenswert, denn historisch betrachtet war Japans Dividendenpolitik im internationalen Vergleich deutlich zurückhaltender. Die Unternehmen pumpen traditionell mehr Kapital in Forschung und Entwicklung.
Was auch für japanische Aktien spricht, sind die vergleichsweise niedrigen Ausschüttungen staatlicher Rentenpapiere. Die Dividendenrendite des Leitindex Topix liegt bei 2,5 Prozent um damit mehr als zwei Prozentpunkte über der Rendite der zehnjährigen Staatsanleihe. In den USA ist es umgekehrt, der S&P 500 kommt mit 1,6 Prozent auf gerade einmal die Hälfte zehnjähriger US-Anleihen. Das dürfte die Zuflüsse in Japans Aktienmarkt weiter begünstigen und den Kurs des Topix stützen.
Einer der attraktivsten Dividendenzahler am japanischen Aktienmarkt ist Japan Tobacco. Das Unternehmen hat auf der Insel nahezu eine Monopolstellung und ist nach Marktkapitalisierung der weltweit fünftgrößte Zigarettenhersteller.
Internationale Tabakverkäufe erwirtschaften 66 Prozent des Umsatzes, 24 Prozent entfallen auf den Heimatmarkt. Außerdem vertreibt Japan Tobacco Lebensmittel und pharmazeutische Produkte.
Der Umsatz legte in den ersten drei Monaten dieses Jahres um rund 14 Prozent auf 665 Milliarden Yen (4,5 Milliarden Euro) zu, verglichen mit dem Vorjahreszeitraum. Der Nettogewinn stieg im ersten Quartal um mehr als 16 Prozent auf rund 145 Milliarden Yen (977 Millionen Euro).
Japan Tobacco zahlt seit mittlerweile 15 Jahren in Folge eine Dividende. Die Dividendenrendite beträgt beim aktuellen Kurs 6,06 Prozent. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis der erwarteten Gewinne für 2023 (2023e) liegt bei zwölf. Damit gilt das Unternehmen als moderat bewertet.
Die Mitsubishi UFJ Financial Group (MUFG) ist Japans größte Bank und eine der größten Banken der Welt. Sie entstand 2005 durch die Fusion der Mitsubishi Tokyo Financial Group und dem Finanzdienstleister UFJ Holdings.
Das Unternehmen bietet eine breite Palette an Finanzdienstleistungen an: Mehr als die Hälfte der konzernweiten Erträge stammen aus dem Privat- und Geschäftskundengeschäft, ein Drittel entfällt auf die Investmentsparte, der Rest auf Asset Management und sonstige Bank-Dienstleistungen.
MUFG wird diese Woche seine Bücher zum abgelaufenen Quartal öffnen. Analysten erwarten neben steigenden Umsätzen einen leicht rückläufigen Gewinn. Ein Grund dafür seien Bewertungsverluste aus dem Verkauf MUFG Union Bank.
Gemessen am aktuellen Kurs beträgt die – für japanische Verhältnisse überdurchschnittliche – Dividendenrendite 3,62 Prozent. Das KGV liegt bei zehn (2023e) und ist in seinem Branchenvergleich relativ niedrig.
Einen breiten Zugang zu den größten und umsatzstärksten Unternehmen Japans bietet der Lyxor Japan (Topix) ETF. Der physisch replizierende Fonds bietet nicht nur ein halbjährliches Ausschüttungsintervall und eine besonders günstige jährliche Gesamtkostenquote von 0,45 Prozent.
Das Fondsvolumen beträgt 871 Millionen Euro und ist damit deutlich größer als das Konkurrenzprodukt von Amundi mit 273 Millionen. Der ETF wurde im November 2005 aufgelegt. Die drei größten Positionen sind – seiner Benchmark, dem Topix Total Return Index, entsprechend: der Automobilhersteller Toyota, der Elektronikkonzern Sony und der Automatisierungstechniker Keyence.
Portfoliomanager trauen der positiven Stimmung an den Börsen aktuell nicht
Dennoch kaufen sie wieder etwas mehr Aktien
Börsenhändler (Foto: Imago / Xinhua)
Die Entwicklung der Aktienmärkte seit Herbst ist beeindruckend, doch viele Investorinnen und Investoren haben von der Rally nur einen Teil mitbekommen. Jetzt greifen sie aber zumindest wieder etwas stärker bei Aktien zu, obwohl sie noch skeptischer mit Blick auf die Entwicklung der Wirtschaft geworden sind.
Das ist das wichtigste Ergebnis der viel beachteten monatlichen Fondsmanager-Umfrage der Bank of America, bei der diesmal 251 Investorinnen und Investoren mitgemacht haben. Zusammen verwalten sie ein Vermögen von 666 Milliarden Dollar.
Die institutionellen Anlegerinnen und Anleger halten zwar immer noch weniger Aktien, als es die richtungsweisenden Indizes für ihre Portfolios vorgeben. Doch unter dem Strich sind nur noch 24 Prozent der Befragten im Vergleich zu ihren Benchmarks in Aktien untergewichtet und damit so wenig wie zuletzt vor fünf Monaten.
Die Investoren laufen dabei der Aktienrally in gewisser Weise hinterher. Sie haben Angst, noch mehr von der guten Entwicklung zu verpassen, die dem weltweit wichtigsten Aktienindex S&P 500 in den USA seit Ende September einen Gewinn von 15 Prozent beschert hat. Die europäischen Börsen haben sogar noch mehr gewonnen – allen voran Deutschlands Leitindex Dax, der seither mehr als 30 Prozent zugelegt hat.
Die Portfoliomanager bei Fondshäusern, Vermögensverwaltern, Banken, Pensionskassen, Unternehmen und Hedgefonds sind laut der Umfrage der Bank of America (BofA) jedoch schon seit exakt einem Jahr in Aktien untergewichtet. Im vergangenen September und damit zum Beginn der Börsenerholung hielten 52 Prozent der Portfoliomanager weniger Aktien als üblich und damit so viele wie noch nie.
Das hat die Investoren in Bedrängnis gebracht, wie Zoltan Schaumburger, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter Euro Switch, betont: „Mit steigenden Märkten steigt der Druck auf aktive Manager nachzukaufen, um nicht zu sehr hinter der jeweiligen Benchmark zurückzubleiben.“
Doch nicht nur Investoren, sondern auch Aktienstrategen stehen mit Blick auf ihre Prognosen für die Börsen unter einem gewissen Zugzwang. Das gilt besonders für den Dax. Grund für die gute Entwicklung waren vor allem die Öffnung der chinesischen Wirtschaft nach dem Ende der strikten Null-Covid-Politik und das Ausbleiben der großen Energiekrise.
Viele Banken hatten bereits im März ihre zuvor nur sehr verhalten optimistischen Dax-Prognosen erhöht und dabei zumindest die Marke von 16.000 Punkten als Kursziel für das Jahresende genannt. Diese Marke überschritt der Dax bereits Anfang des Monats kurzzeitig. Die DZ Bank hat als eine der ersten Banken nun ihr Kursziel erneut erhöht und rechnet damit, dass der Dax Ende des Jahres bei immerhin 16.500 Punkten liegen wird.
Der Weg dahin wird aber nicht einfach. Wie viele Investoren ist nämlich auch die DZ Bank skeptisch mit Blick auf die Konjunktur und erwartet eine Rezession in den USA. Diese könnte den Dax laut DZ Bank zwischenzeitlich auf 14.500 Punkte drücken, bevor es dann wieder aufwärtsgehen sollte, weil sich die Märkte dann auf den Aufschwung nach der Rezession konzentrieren.
Damit scheint die DZ Bank der Rally an den Aktienmärkten nicht so richtig zu trauen – ebenso wie die Investoren, welche die Bank of America befragt hat. Die Entwicklung der Börsen passt nicht zu ihren Erwartungen an die Entwicklung der Wirtschaft und damit den voraussichtlichen Gewinnen der Unternehmen.
Laut der Umfrage gehen netto 65 Prozent der Befragten davon aus, dass sich die Konjunktur in den kommenden zwölf Monaten eintrüben wird. Netto bedeutet in der Terminologie der Umfrage, dass es 65 Prozent mehr Investoren gibt, die an eine schwächere Wirtschaft glauben, als solche, die das nicht tun.
Die Skepsis der Investorinnen und Investoren hat damit erneut zugenommen und ist so groß wie noch nie in diesem Jahr. Die Zweifel zeigen sich auch daran, dass die Portfoliomanager immer noch viel Bargeld in Form von Cash oder kurzfristigen Geldmarktpapieren halten. Die durchschnittliche Cash-Quote in den Portfolios lag der Umfrage zufolge bei 5,6 Prozent und damit noch etwas höher als im April. Damit halten die Investoren seit 18 Monaten mehr als fünf Prozent Cash. Eine längere Phase mit so hohen Bargeldquoten gab es nur in den 32 Monaten nach dem Platzen der Dotcom-Blase in den frühen 2000er-Jahren.
Aus dem Zusammenspiel der Erwartungen an die Wirtschaftsentwicklung sowie der Allokation in Aktien und in Cash errechnen die BofA-Strategen einen Stimmungsindikator der Investoren. Dieser hat sich erneut verschlechtert und liegt so niedrig wie noch nie in diesem Jahr. Das zeigt: Die Investoren sind nervös. „Es gibt viele Unsicherheitsfaktoren, und wir müssen uns von Datenpunkt zu Datenpunkt hangeln“, sagt auch Björn Jesch, Chefanlagestratege bei der DWS.
Andrea Cünnen
Edelmetall
Türkische Zentralbank stößt tonnenweise Gold ab
Die Zentralbank stemmte sich gegen einen weiteren Verfall der Lira, der im Wahlkampf dem Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hätte schaden können.
Goldbarren (Foto: Mauritius Images / Michael Piepg)
Die türkische Zentralbank hat in den Wochen vor der Präsidentschaftswahl Dutzende Tonnen Gold auf den Markt geworfen. Gemäß den jüngsten verfügbaren Zahlen des World Gold Council (WGC) verkaufte die türkische Notenbank bereits im März rund 15 Tonnen. Ende April berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg, dass die Goldreserven der Notenbank innerhalb von sieben Wochen um neun Prozent gesunken seien. Das entspricht einem Verkauf von gut 50 Tonnen.
Auch während des Wahlkampfendspurts im Mai gingen die Goldverkäufe der türkischen Notenbank ungebrochen weiter, wie das Handelsblatt aus Branchenkreisen erfahren hat. Demnach könnte die Türkei zwischen März und Mitte Mai mehr als hundert Tonnen des Edelmetalls abgestoßen haben.
Die Türkei stemmte sich damit gegen einen Verfall der Lira, der im Wahlkampf Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan hätte schaden können. Der türkische Wirtschaftswissenschaftler Hakan Kara, der bis August 2019 noch Chefökonom der Zentralbank war, schrieb auf Twitter: „Man kann sagen, dass die Zentralbank in letzter Zeit versucht hat, Gold und physische Banknoten in flüssige Reserven umzuwandeln.“
Mit den Goldverkäufen beschafft sich die Zentralbank Dollar, mit denen sie versucht, die Lira zu stabilisieren. Zugleich beschloss die Zentralbank trotz einer Inflationsrate von rund 44 Prozent, den Leitzins unverändert bei 8,5 Prozent zu belassen. Die Türkei hat den Anteil von Gold in der Währungsreserve in den vergangenen Jahren sukzessive aufgestockt, diese jedoch immer wieder auch zur Stabilisierung der Lira eingesetzt. Im März musste sie erstmals seit November 2021 Gold verkaufen, nachdem im Februar ein Erdbeben den Süden des Landes erschüttert hatte.
Noch im vergangenen Jahr war die türkische Zentralbank Spitzenreiter bei den Goldzukäufen. Laut WGC stockte sie ihre Reserven um 148 Tonnen auf. Auch im Januar und Februar deckte sie sich mit insgesamt 45 Tonnen Gold ein. Damit lag die Türkei im ersten Quartal auf Platz drei derjenigen Staaten, deren Zentralbanken am meisten Gold zukauften. Nur Singapur und China deckten sich in den ersten drei Monaten noch stärker mit Gold ein.
Der Trend geht derzeit ohnehin dazu, dass Zentralbanken weiter Gold zukaufen. Im vergangenen Jahr gab es sogar einen Rekordwert: Mehr als 1100 Tonnen Gold haben die Zentralbanken gekauft. Dem Branchenverband WGC zufolge war 2022 das Jahr mit der höchsten seit 1950 aufgezeichneten jährlichen Nachfrage.
Und auch in diesem Jahr bleiben die Zentralbankkäufe auf einem hohen Niveau. 228 Tonnen Gold fragten die Notenbanken im ersten Quartal nach, das sind 172 Prozent mehr als im Vorjahresquartal. Ob die Zukäufe im gesamten Jahr ein ähnlich hohes Niveau erreichen wie 2022, lasse sich nicht gut vorhersagen, betont WGC-Chefstratege John Reade. „Derzeit rechnen wir aber damit, dass die Zentralbanken mehr Gold kaufen als verkaufen werden, allerdings in einem etwas langsameren Tempo als im Vorjahr.“
Angeführt wurde die Goldnachfrage von Singapurs Zentralbank und China. Dass vor allem asiatische Notenbanken derzeit verstärkt Gold nachfragen, hat laut WGC-Chefstratege Reade mit der aktuellen geopolitischen Lage zu tun. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hätten viele Zentralbanken realisiert, wie anfällig ihre Reserven für Sanktionen seien. „Mit den Goldzukäufen wollen sie unabhängiger vom US-Dollar werden“, erklärt er.
Auch Alexander Zumpfe, Goldhändler beim Edelmetallspezialisten Heraeus, glaubt, dass die Goldzukäufe mit Russlands Krieg gegen die Ukraine zusammenhängen. „Neben den Sanktionen spielen auch andere geopolitische Faktoren eine Rolle, für China zum Beispiel das angespannte Verhältnis zu den USA wegen des Handelskonflikts und Taiwan“, fügt er hinzu.
Etliche Konzerne reichen ihre gestiegenen Kosten in diesem Jahr erfolgreich an die Kundschaft weiter. Vier deutsche Aktien sind für Anleger interessant.
Produktionsanlage (Foto: Porsche)
In Zeiten stark steigender Preise entwickeln sich Aktien von Unternehmen am besten, denen es gelingt, die hohen Kosten etwa für Rohstoffe und Vorprodukte an ihre Käufer weiterzureichen. So kann es gelingen, trotz allem den Konzerngewinn zu steigern.
Das Handelsblatt hat die aktuelle Berichtssaison zum Anlass genommen, die Unternehmen herauszusuchen, denen es gelungen ist, ihre Gewinne durch höhere Produktpreise zu steigern. Diese Aktien werden mit Blick auf finanzmarktrelevante Kennzahlen wie Kurs-Gewinn-Verhältnis, Dividendenrendite und Nettoumsatzrendite beleuchtet.
Lufthansa: Europas größte Luftfahrtgesellschaft steht nach Aussage ihres Vorstandsvorsitzenden Carsten Spohr vor dem „umsatzstärksten Sommer in der Unternehmensgeschichte“. Im ersten Quartal übertraf der Ticket-Durchschnittspreis den Vergleichswert für 2019 – dem letzten Boomjahr, bevor die Coronapandemie für Ertragseinbrüche sorgte – um 19 Prozent.
Für das zweite Quartal prognostizieren Analysten im Schnitt einen Anstieg um deutlich mehr als 20 Prozent. Für das Gesamtjahr rechnet der Konzern mit einem Rekordwert bei den Verkehrserlösen. Ein Grund dafür ist, dass die Passagiere höhere Preise akzeptieren. Privatreisende buchen zudem häufiger die Klasse „Business“ und „Premium“. Hier sind die Gewinnmargen deutlich höher als in der Economy-Klasse.
Nach 2,2 Milliarden Euro Verlust im Jahr 2020 und 791 Millionen Euro Gewinn im vergangenen Jahr rechnen Analysten im Schnitt mit einem Nettogewinn von 1,5 Milliarden Euro im laufenden Geschäftsjahr. Vor wenigen Wochen war es fast eine halbe Milliarde Euro weniger. Für keinen anderen deutschen Konzern steigen die Gewinnschätzungen derzeit so rasant.
Derart stark steigende Gewinne und Gewinnschätzungen lassen die Aktienbewertung an der Börse sinken: Das Unternehmen und heruntergerechnet seine Aktien kosten derzeit den siebenfachen erwarteten Jahresnettogewinn. Vor drei Monaten lag das auf diese Weise berechnete Kurs-Gewinn-Verhältnis noch bei gut zehn.
Porsche: Die gewinnstarke VW-Tochter will ihre Preise in der zweiten Jahreshälfte um vier bis acht Prozent erhöhen, kündigte Finanzvorstand Lutz Meschke nach Vorlage der Quartalszahlen an.
Elektromodelle sollen generell teurer werden als Verbrenner. In den ersten drei Monaten des Jahres profitierte Porsche nach Konzernangaben von höheren Preisen. Das operative Ergebnis stieg um gut 25 Prozent, während der bloße Absatz mit 18 Prozent weniger stark zulegte.
Porsches deutlich höhere Bewertung mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 19 gegenüber den einstelligen Werten bei BMW, Mercedes und VW relativiert sich im Vergleich mit Ferrari. Für den italienischen Hersteller errechnet sich ein mehr als doppelt so hohes KGV von 41.
Beide Hersteller sind am ehesten vergleichbar, wenn es um Stückzahlen und die an den Finanzmärkten weitverbreitete Suche nach Einmaligkeit und Luxus geht. Ferrari wirtschaftet mit einer operativen Umsatzrendite von 20 Prozent allerdings noch profitabler. Porsche erreicht „nur“ 13 Prozent.
Aus Anlegerperspektive ist negativ zu berücksichtigen, dass Investoren auf die Geschäftspolitik von Porsche keinen Einfluss nehmen können, weil die Familien Porsche und Piëch die Mehrheit halten. Daraus erwächst auf den ersten Blick ein Bewertungsabschlag, weil nur die stimmrechtslosen Vorzugsaktien an der Börse notieren.
Positiv aus Sicht der Anleger ist allerdings, dass dadurch nur sehr wenige Aktien frei handelbar sind: ein Achtel der Vorzugsaktien. Gemessen am Gesamtkapital, also Vorzugs- und Stammaktien, liegt der Anteil sogar nur bei 7,5 Prozent. Dies sorgt an der Börse für Knappheitspreise. Seit dem Börsengang Ende September ist die Aktie um 35 Prozent gestiegen.
Siemens: Dem Industrie- und IT-Konzern gelingt es, höhere Preise an die Kunden weiterzureichen. Weltweit seien die Löhne um vier bis sechs Prozent gestiegen, meinte Finanzchef Ralf Thomas und fügte hinzu: „Dann wissen Sie auch, in welcher Größenordnung unsere Preisanpassungen stattgefunden haben.“
Siemens profitiert weltweit von höheren Investitionen und spürt keinerlei Konjunkturschwächen. Die seit vielen Quartalen hohe Nachfrage erleichtert es, die Preise anzuheben. Nach dem „bislang stärksten Start in ein neues Geschäftsjahr“, wie es Vorstandschef Roland Busch bezeichnete, hob Siemens seine Umsatz- und Gewinnprognose für das Gesamtjahr an. Angesichts voller Auftragsbücher sei der Konzern bestens auf weiteres profitables Wachstum vorbereitet.
Nach der Abtrennung des Kraftwerksgeschäfts und dem daraus folgenden Börsengang von Siemens Energy fokussiert sich der Mutterkonzern stärker auf Digitaltechnik. Das rechtfertigt aus Sicht des Unternehmens und der Analysten die höhere Bewertung – die es jedoch nur zum Teil gibt.
Auf Basis der erwarteten Gewinne notiert die Siemens-Aktie mit einem KGV von 16. Das ist zwar rund ein Drittel mehr als beim Gesamt-Dax, aber gemessen an der IT-Branche in Europa rund ein Drittel weniger.
Eon: Seit Übernahme der RWE-Tochter Innogy konzentriert sich Eon auf die zukunftsträchtigen Sparten Vertrieb sowie Netz und wandelte sich zu einem der größten Versorger Europas. Im ersten Quartal stieg der um nicht-operative Effekte bereinigte Konzernüberschuss um 51 Prozent auf eine Milliarde Euro. Im Energiehandel hat sich der Betriebsgewinn auf 814 Millionen Euro fast verdoppelt.
Der Hauptgrund dafür sind höhere Preise. Eon gelang es, in Ländern wie Großbritannien und Deutschland die gestiegenen Beschaffungskosten mehr und mehr an die Endkunden weiterzugeben. Vor allem in Deutschland sollen die Preise von Juni an weiter angehoben werden.
Angesichts des starken Auftaktquartals hob Eon seine Gesamtjahresprognose an. Analysten rechnen im Schnitt damit, dass der Nettogewinn von 1,8 Milliarden Euro im Vorjahr auf 2,5 Milliarden Euro in diesem Jahr steigen wird.
Das Geschäft mit flächendeckenden Netzen ist eine verlässliche Einnahmequelle, die sich auch auf die Aktionäre auswirkt: Mit einer auf 51 Cent je Aktie gestiegenen Dividende, die nach den Vorstellungen des Konzerns künftig jährlich um fünf Prozent zulegen soll, fahren Anleger auf dem aktuellen Kursniveau eine stattliche Dividendenrendite von 4,2 Prozent ein.
Ulf Sommer
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US-Schuldenstreit
Vorbereitung auf das Unvorstellbare
US-Präsident Joe Biden glaubt, dass im Schuldenstreit ein Kompromiss gefunden wird. Dieser Optimismus wurde vom Markt lange geteilt. Nun schwindet diese Zuversicht.
US-Hauptstadt Washington (Foto: Bloomberg Creative)
Einmal wöchentlich trifft sich aktuell ein Team der US-Großbank JP Morgan in einem sogenannten „War Room“. Ziel des Treffens: Die Großbank bereitet sich auf eines der größten und am schwierigsten zu kalkulierenden Risiken an den Märkten vor – einen Zahlungsausfall der USA. Dazu könnte es kommen, sollten sich Demokraten und Republikaner im Streit um eine Anhebung der Schuldenobergrenze nicht bald einigen.
Noch ist dieses Szenario abwendbar, das JP-Morgan-Chef Jamie Dimon „potenziell katastrophal“ nennt. US-Präsident Joe Biden verhandelt aktuell mit dem Republikaner Kevin McCarthy. Er ist Chef des Repräsentantenhauses, das eine Anhebung des Schuldenlimits blockiert. Biden gibt sich zwar optimistisch bezüglich eines Kompromisses und sagt: „Ich denke, wir werden es schaffen.“ Am Finanzmarkt wachsen aber mit jedem Tag, an dem sich keine Einigung abzeichnet, Misstrauen und Sorge.
Das zeigt nicht nur die Vorbereitungen von JP Morgan. Marko Behring, Leiter des Asset-Managements der Fürst Fugger Privatbank, sagt: „Die ersten Zeichen einer Beunruhigung lassen sich durchaus wahrnehmen – man muss nur genauer hinsehen.“ So ist es mittlerweile für Anleger teurer, sich gegen einen Zahlungsausfall von US-Staatsanleihen mit einjähriger Laufzeit abzusichern, als bei brasilianischen oder kolumbianischen Papieren.
Das zeigt sich am Markt für Kreditausfallversicherungen, die sogenannten Credit Default Swaps (CDS). An diesen Finanzinstrumenten lässt sich auch ablesen, wie groß die Unruhe unter den Investoren mittlerweile ist. Für die USA liegt der CDS-Spread mittlerweile doppelt so hoch wie 2011 und 2013, als es ebenfalls Streit um die Schuldenobergrenze gab.
Wichtigster Grund für die wachsende Nervosität ist die knappe Zeit, die für eine Einigung zur Verfügung steht. Die USA sind längst nur noch dank spezieller Finanzakrobatik zahlungsfähig. Finanzministerin Janet Yellen hatte ursprünglich gewarnt, dass schon am 1. Juni das Geld ausgehen könnte. Am Wochenende drückte sie sich in einem Interview um ein klares Datum. Sie will den US-Kongress in den nächsten zwei Wochen darüber informieren, wie nah die USA an der Zahlungsunfähigkeit sind.
Dass die USA ihre Schulden absichtlich nicht bedienen, sei noch nie vorgekommen, schreibt der „Council of Economic Advisers“ (CEA), ein Beratungsorgan des US-Präsidenten. Dementsprechend wären auch die Folgen unabsehbar. Ein Zahlungsausfall der USA würde enorme negative Auswirkungen haben. Denn das globale Finanzsystem beruht auf der Vorstellung, dass die US-Regierung ihre Rechnungen immer bezahlt. Würden US-Schulden nicht mehr als risikofrei gelten, würde das auch alle anderen Staaten betreffen, schreibt Neil Bradley, Vizechef der US-Handelskammer.
Steigende Zinsen, höhere Arbeitslosigkeit und eine weltweite Rezession würden ebenso drohen wie fallende Aktienkurse. Der CEA schätzt, dass der Aktienmarkt im dritten Quartal bei einem längeren Zahlungsausfall um 45 Prozent einbrechen würde. Die Wahrscheinlichkeit für ein solches Szenario halten die meisten Marktteilnehmer noch eher für gering.
Die implizite Volatilität des Euro-Dollar-Kurses auf Sicht von einem Monat ist auf dem niedrigsten Niveau seit Februar 2022. Die Commerzbank-Analystin Esther Reichelt stellt in ihrer aktuellen Analyse daher fest: „Der Devisenmarkt erscheint (noch) tiefenentspannt.“
Reichelt sieht das aber nicht unbedingt als positives Zeichen, weil es die US-Politik in falscher Sicherheit wiegen könnte: „Meine Befürchtung ist, dass es tatsächlichen Drucks bedarf – etwa in Form einer entsprechenden Marktreaktion, die den Verantwortlichen die Folgen einer Nichteinigung vor Augen führt –, damit sich die beiden Seiten aufeinander zubewegen.“
Insofern ist es nicht nur entscheidend, ob beide Parteien sich einigen, sondern auch, wann sie es tun. Sollten Demokraten und Republikaner erst in letzter Sekunde einen Kompromiss finden, würde das am Markt nicht spurlos vorbeigehen, glaubt Analyst Mike Wilson von Morgan Stanley. Die Liquidität könnte knapp werden, und die Aktienkurse könnten fallen. Der marktbreite US-Leitindex S&P 500 habe „in der jüngeren Vergangenheit sehr empfindlich auf Liquiditätsveränderungen reagiert“, schreibt Wilson in einer aktuellen Notiz an seine Kunden.
Wie ernst die Auswirkungen für die Märkte selbst im Falle eines Kompromisses sein könnten, hat das Jahr 2011 gezeigt, als sich beide Parteien im August erst in letzter Sekunde auf eine Anhebung der Schuldengrenze einigten. Der S&P 500 verlor damals von Ende Juli bis Mitte April 18 Prozent an Wert. In Deutschland fielen die Kurse sogar bis Mitte September, der heimische Leitindex Dax sackte in der Spitze um mehr als 30 Prozent ab. Zudem stufte die Ratingagentur Standard & Poor’s erstmalig die Kreditwürdigkeit der USA herab.
Großer Profiteur dieser Entwicklung war Gold: Der Preis für das Edelmetall stieg von Anfang August bis Anfang September 2011 um 18 Prozent.
Das beste Szenario wäre für den Aktienmarkt daher eine schnelle Einigung, erklärt Stephan Heibel vom Analysehaus AnimusX. Er rechnet in diesem Fall mit einer Erleichterungsrally, weil die aktuell pessimistisch gestimmten Anleger falsch positioniert wären und den Kursen hinterherliefen. Das würde die Rally befeuern.
Ob es dazu kommt, stellt Analyst Andreas Steno vom gleichnamigen Analysehaus aber infrage. Er verweist auf ein spieltheoretisches Problem. „Joe Biden hat einen Anreiz, dem rechten Flügel der Republikaner die ‚Schuld‘ für einen Shutdown zu überlassen, während der rechte Flügel der Republikaner einen Anreiz hat, den Shutdown zu erzwingen“, erklärt Steno. Sie könnten dann mit dem Narrativ werben, eine weitere Ausgabenorgie verhindert zu haben. Ein teilweiser Shutdown erscheint Steno daher aus spieltheoretischer Sicht unvermeidlich zu sein.
JP Morgan hat daher schon weitere Vorbereitungen für ein Worst-Case-Szenario getroffen. Ab dem 21. Mai soll sich das Projektteam dreimal täglich im War Room treffen.
Andreas Neuhaus
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Automatisierte Geldanlage
Die besten Robo-Advisors
Das Beratungshause Fonds Consult hat die Angebote zur automatisierten Vermögensverwaltung analysiert. Wir stellen die Gewinner und Verlierer vor.
Geldanlage mit Algorithmen (Foto: Maskot / Getty Images)
An den Finanzmärkten dominiert Unsicherheit. Eigentlich ist das ein perfektes Umfeld für automatisierte Vermögensverwalter, sogenannte Robo-Advisors, um zu zeigen, was sie können. Eine Studie der Fondsanalysten des Beratungshauses Fonds Consult, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt, zeigt, welche die besten Ergebnisse erzielen.
Fonds Consult analysiert in seiner jährlichen Auswertung neben der Solidität des Angebots samt Kosten und Risikomanagement die risikogewichtete Rendite in vier verschiedenen Anlagestrategien – von defensiv bis offensiv mit Aktienquoten von rund 40 Prozent bis 100 Prozent – von Robo-Advisors über ein und drei Jahre.
Aktuell erfasst die Untersuchung die Jahre 2020 bis 2022. Analysiert wurden 26 von insgesamt rund 40 Anbietern am deutschen Markt, die mit einem gemanagten Vermögen von rund 10,5 Milliarden Euro insgesamt den größten Teil des Markts umfassen.
Visual Vest ist mit der Note 1,6 Sieger des Rankings. Mit seiner KI Malina hat der Robo der Genossenschaftsbanken laut Fonds Consult besonders in der aktienlastigen offensiveren Strategie das Kapital längerfristig vermehrt und mit gut 18 Prozent im Jahr eine deutlich überdurchschnittliche Rendite erzielt. Im schwierigen Jahr 2022 schützte der Robo zudem besser als andere vor Verlusten und verbucht mit sieben Prozent einen der geringsten Verluste im Vergleich mit der Konkurrenz.
Die Qualität des Angebots bewertet Katharina Ehrhardt, Analystin bei Fonds Consult, zudem mit „sehr gut“. Visual Vest setzt die KI in der Anlagestrategie zur Gewichtung von Anlageklassen ein, Fondsmanager bauen daraus Portfolios mit ETFs. 2022 seien Anleihen und auch Rohstoffe frühzeitig reduziert worden, erklärt Marketingchefin Katja Speck. Zuletzt seien vor allem hochqualitative Firmenbonds aufgestockt worden, die nach dem Zinsanstieg wieder besonders attraktiv wirkten. Bei längeren Laufzeiten bleiben die Manager aber zurückhaltend.
Die zweitbeste Bewertung erhielt Quirion mit 1,64. Der Robo der Direktbank Quirinbank fährt eine statische, passive Strategie. Über drei Jahre habe es sich ausgezahlt, in den stark schwankenden Märkten daran festzuhalten, kommentiert Analystin Ehrhardt.
Besonders in den aktienlastigen Strategien hat der Robo eine deutlich überdurchschnittliche, zweistellige Rendite im Jahr erzielt. Die Wertschwankungen sind allerdings relativ hoch. Quirion baut ein breit gestreutes ETF-Portfolio auf, je nach Risikoneigung und Anlagehorizont eines Anlegers mit höherem oder geringerem Aktienanteil. Mindestens einmal im Jahr werden die gewünschten Gewichtungen wiederhergestellt.
Auf Anpassungen der Portfolios nach Marktlage verzichtet Quirion „konsequent“, sagt Philipp Dobbert, Leiter der Vermögensverwaltung bei Quirin. „Abschwünge werden zwar mitgenommen, Aufschwünge dafür aber nicht verpasst“, resümiert er.
Solidvest schneidet im Ranking erneut gut ab. Der Vorjahressieger bekam die drittbeste Note von 1,71. Der Robo des Vermögensverwalters DJE hat das Geld seiner Kunden mit am besten durch die schwierigen Märkte navigiert, stellt Analystin Ehrhardt von Fond Consult fest, die mit Familie Ehrhardt von DJE nicht verwandt ist.
So hat die defensive Strategie mit einem Minus von vier Prozent 2022 mit Abstand am wenigsten Geld verloren, zugleich aber über die vergangenen drei Jahre mit gut acht Prozent mit am meisten Rendite erzielt. Auch in der ausgewogenen Strategie gehört Solidvest mit einem Plus von knapp zwölf Prozent im Jahr zu den Anbietern mit den besten Renditen.
Die Portfolios werden aktiv, also nach der Strategie des bekannten Fondsmanagers Jens Ehrhardt aus einem Mix aus makroökonomischer Analyse und Einzeltitelauswahl bei Aktien gesteuert. Ehrhardts Sohn Jan setzt im Robo stark auf sogenannte Substanzaktien, deren Kurse im Verhältnis zum Buchwert niedrig sind und deren Firmen eine hohe Eigenkapitalquote aufweisen.
2022 hat Solidvest mit einer hohen Liquiditätsquote von im Mittel einem Viertel des Vermögens und einer Ausrichtung auf stabile Aktien und Firmen mit Preissetzungsmacht Verluste eindämmen können, wie Robo-Chef Sebastian Hasenack erklärt. Aktuell setze das Team um Jan Ehrhardt auf Qualitätsaktien mit stabilem freiem Kapital und gewichte Aktien und Anleihen aus dem Dollar-Raum höher – als „Sicherheit für mögliche Verwerfungen“. Die Cash-Quote liegt aktuell bei rund zehn Prozent.
Ebenfalls eine Topbewertung von 1,7 bekam Minveo. Der Robo setzt einen Algorithmus ein, der für 33 Länder mithilfe makroökonomischer und anderer Marktdaten einen Risikoscore ermittelt und danach Empfehlungen gibt. Minveo setzt mit ETFs auf ganze Märkte.
Beim Sparkassenanbieter Bevestor lobt Fonds Consult eine „kluge Kombination“ aus ETFs für Kernmärkte ergänzt um aktiv gemanagte Fonds in exotischen Ländern und Sektoren.
Auch bei Ginmon hebt Fonds Consult hohen Automatisierungsgrad hervor. Ein sehr gutes quantitatives Ergebnis ist Analystin Ehrhardt zudem beim relativ neuen Robo Inno Invest aufgefallen, der eine KI-Strategie, aber auch aktive Ansätze anbietet.
Extrem schwach abgeschnitten hat dagegen Estably. Bei dem aktiven Vermögensverwalter aus Liechtenstein hat es nach Beobachtung von Analystin Ehrhardt „in allen Strategien nicht funktioniert“.
Die konzentrierte Anlagestrategie setze auf 20 bis 25 Aktien hochwertiger Unternehmen mit hohem Gewinnwachstum sowie 40 Firmenanleihen, mit denen man längerfristig Outperformance erzielen wolle, sagt Chef Andreas Wagner. Wenn es kurzfristig an der Börse runtergehe, lasse man sich nicht aus der Ruhe bringen.
Auch der Fidelity Wealth Expert und der Warburg Navigator landen unten im Ranking. Bei Fidelity haben nach Analyse von Ehrhardt von Fonds Consult die aktiven Strategien erneut nicht funktioniert. Der Fondsanbieter selbst betont seine langfristige Ausrichtung. 2022 habe sich zudem der gegenüber dem US-Dollar schwache Euro negativ auf die Erträge ausgewirkt.
Bei Warburg seien sowohl in der Allokation als auch der Titelauswahl Fehler gemacht worden, resümiert Analystin Ehrhardt. Chefanlagestratege Christian Jasperneite von Warburg erklärt dazu, dass der Robo im schwierigen Marktumfeld 2022 defensiv positioniert gewesen sei und solche Anlagen wie Anleihen mit guter Bonität und längerer Restlaufzeit besonders stark verloren hätten.
In der quantitativen Auswertung fehlen große Anbieter wie der Marktführer Scalable Capable, Liqid und Raisin. Scalable möchte nur mit seinen ESG-Strategien mitmachen, die aber noch nicht drei Jahre am Markt sind, daher von Fonds Consult nicht berücksichtigt werden. Mit den klassischen Ansätzen hatte Scalable in den Jahren zuvor schlecht abgeschnitten. Liqid nimmt nach eigener Aussage wegen seiner besonderen Ausrichtung nur sehr selektiv an solchen Auswertungen teil, Raisin nennt Kapazitätsgründe.
Ein wichtiger Punkt für Anleger sind die Kosten. Die Gebühren klaffen wie die Anlagestrategien weit auseinander und betragen zwischen 0,48 und 2,68 Prozent des Vermögens im Jahr. Anleger sollten wissen, was zu ihnen passt – das muss nicht immer der günstigste Ansatz sein, meint Analystin Ehrhardt. Einfache, statische Robo-Advisor-Modelle sollten weniger als ein Prozent im Jahr kosten, sagt allerdings Bulis.
Anke Rezmer
Ranking
Die besten Onlinebroker
Mit der Wahl des richtigen Anbieters können Anleger Hunderte Euro im Jahr sparen.
Online nicht nur Aktien handeln (Foto: Trade Republic)
Aktien und ETFs über das Smartphone zu handeln ist längst nicht mehr neu. Seit den Coronajahren haben sich Onlinebroker aufgrund ihrer oft günstigen Kostenstruktur und einfachen Benutzung bei vielen Anlegerinnen und Anlegern bewährt.
Bei der Wahl des Brokers sind die Handelskonditionen für Wertpapiere ausschlaggebend. Hier lohnt sich der Vergleich, denn gerade bei Viel-Tradern summieren sich die Orderkosten übers Jahr hinweg sonst schnell.
Die FMH-Finanzberatung hat für das Handelsblatt ermittelt, bei welchen Onlinebrokern Anleger derzeit die günstigsten Konditionen erhalten (Stand der Auswertung: 21. April). Verglichen wurden dabei 17 Anbieter. Wichtigste Kriterien waren neben den Depotkosten auch die Kosten pro Order inklusive der Handelsplatzgebühr.
Insgesamt hat die Finanzberatung bei der Auswertung vier der Broker mit der Note „sehr gut“ bewertet, sechs Anbieter mit der Note „gut“, und sieben Anbieter schnitten nur mit einem „befriedigend“ ab.
An die Spitze hat es dabei diesmal Trade Republic geschafft. Mit Kosten in Höhe von einem Euro pro Order war der Broker zwar im Vergleich nicht der Günstigste. Allerdings hat er FMH mit seiner großen Anzahl an Sparplänen überzeugt. 2515 Aktiensparpläne und 2485 ETF-Sparpläne haben Anleger hier zur Auswahl – so viel wie bei keinem anderen untersuchten Anbieter.
Außerdem gehört Trade Republic zu den wenigen Anbietern, die eine Guthabenverzinsung anbieten. Zwei Prozent gibt es auf Einlagen, die auf dem Verrechnungskonto liegen. „Wer sein Geld gerade ohnehin erst mal parken will, um auf bestimmte Kurse zu warten, profitiert davon“, sagt Beate Balke von der FMH-Finanzberatung.
„Die Angebote sind nicht zeitlich begrenzt, anders als viele vergleichbare Neukunden-Zinsangebote bei Banken“, führt sie fort. Von der gesetzlichen Einlagensicherung von 100.000 Euro profitieren Sparerinnen und Sparer dabei trotzdem.
Guthabenverzinsung gibt es auch beim Zweitplatzierten in dem Ranking: Scalable Capital. Allerdings nicht in dem kostenlosen Brokerdepot namens „Free Broker“, sondern nur in der Flatrate-Variante für 4,99 Euro im Monat. Die Ordergebühren sind in der Flatrate inklusive.
In der kostenlosen Version kostet jede Order 0,99 Euro – Anlegerinnen und Anleger müssen also selbst kalkulieren, was sich für sie je nach Handelshäufigkeit eher rentiert.
Die Anzahl der Sparpläne ist bei Scalable Capital zwar deutlich geringer als bei Trade Republic, aber immer noch ordentlich: 1000 Aktien-Sparpläne haben Kunden zur Auswahl und 2400 ETF-Sparpläne.
Auf dem dritten Platz des Rankings landet Finanzen.net. Die Ordergebühren sind hier an das Ordervolumen geknüpft: Liegt es unter 500 Euro, zahlen Anleger 1,00 Euro pro Order. Wer bei einer Order mehr als 500 Euro ausgibt, zahlt keine Gebühr. Immerhin 498 Aktien-Sparpläne sind bei Finanzen.net im Angebot, dazu kommen 907 ETF-Sparpläne.
Auf Platz vier im Onlinebroker-Vergleich landet Smartbroker. Auch hier variieren die Ordergebühren je nach Auftragsvolumen. Liegt das Ordervolumen über 500 Euro, ist es kostenfrei, unter 500 Euro liegt die Gebühr zwischen 0,00 und 4,00 Euro. Mit nur 101 Aktiensparplänen und 630 ETF-Sparplänen liegt Smartbroker in der Auswahl deutlich hinter den Top drei.
In einem Punkt ist der Anbieter den drei Erstplatzierten allerdings sogar voraus: In der Anzahl der angebotenen Börsenplätze. Während Trade Republic und Finanzen.net jeweils nur einen Handelsplatz anbieten und Scalable Capital nur zwei, können Smartbroker-Kunden alle deutschen Börsenplätze nutzen.
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