25.05.2023: Tourismus-Aktien: Wette auf anhaltenden Reise-Boom
Treffen Sie bessere Entscheidungen für Ihr Geld
Falls Sie unsere E-Mail nicht oder nur teilweise lesen können, klicken Sie bitte hier.
Donnerstag, 25.05.2023
Guten Tag
liebe Leserinnen und Leser,
kaum hat der deutsche Leitindex Dax ein neues Rekordhoch bei 16.332 Punkten zum Ausklang der vergangenen Woche erklommen, schon sackt er wieder ab. Eine Verquickung verschiedenster Risiken verunsichert die Anleger rund um den Globus – vom Schuldenstreit in den USA, der Sorge, dass die USA und Europa in eine Rezession rutschen bis hin zur Furcht vor den Folgen eines nicht enden wollenden Ukrainekriegs.
Wo stehen wir? Kurzfristig schauen Investoren wie gebannt in die USA, wo nun auf höchster Ebene über eine Anhebung der Schuldenobergrenze gestritten wird. An den Märkten wird regelrecht gezittert: Kurzfristige US-Anleihen sind extrem unter Druck, ihre Renditen sind so hoch gesprungen sind wie seit 17 Jahren nicht.
Bisher konnten sich US-Präsident Joe Biden und der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses Kevin McCarthy nicht auf eine Vereinbarung zur US-Schuldenobergrenze einigen. Dennoch bezeichneten sie ihre Gespräche als „produktiv“ und wollen weiterverhandeln, um einen Zahlungsausfall im Juni und damit ein Beben an den Kapitalmärkten abzuwenden.
Während die Demokraten eine Gesetzesresolution anstreben, die zumindest bis nach den Präsidentschaftswahlen im November 2024 Bestand hat, setzen die Republikaner auf einen kürzeren Rahmen bis März kommenden Jahres. Bisher hoffen die meisten Aktienexperten auf eine Einigung in letzter Sekunde, die bis ins nächste Jahr hinein Jahr trägt.
Was ist zu erwarten? Immer belastender empfinden Investoren die Signale für einen breiten konjunkturellen Abschwung. Mitte der Woche wies der Geschäftsklimaindex des Münchener Ifo-Instituts darauf hin, dass sich die Stimmung der deutschen Wirtschaft im Mai klar eingetrübt hat. Es war der erste Rückgang des an den Finanzmärkten stark beachteten Barometers nach sechs Anstiegen in Folge.
„Die deutsche Wirtschaft blickt skeptisch auf den Sommer", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Stimmung in der Wirtschaft habe einen „deutlichen Dämpfer" erhalten. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer rechnet für dieses Jahr mit einer Konjunkturflaute und zugleich mit einer hohen Inflation.
In den USA nimmt ebenfalls die Sorge zu, dass die striktere Geldpolitik zum Kampf gegen die Inflation die Konjunktur abwürgt: Die Aktienkurse kleinerer Unternehmen hinken aktuell denen großer Konzerne hinterher und die kurzfristigen Kapitalmarktzinsen sind deutlich höher als die langfristigen. Investoren stellen sich somit auf widrigere Verhältnisse ein, meiden konjunktursensible kleine Firmen und parken ihr Geld in kurzfristigen Bonds und am Geldmarkt. Das deutete in der Historie oft auf eine Rezession hin.
Welche Risiken drohen? Dass der Zinsspagat nicht gelingt, beziehungsweise dass vielleicht noch andere schlechte Nachrichten die ohnehin fragile Lage verschärfen. Auch in den USA wird wieder über weitere Zinsanhebungen spekuliert, in Europa gelten sie als sicher.
Was sollten Anleger tun? Vorsichtig bleiben, aber nicht kopflos werden, wenn die Aktienkurse fallen. Großinvestoren können sich derzeit jederzeit vorstellen, dass die Kurse von den Niveaus um bis zu ein Fünftel absacken, wenn es schlechte Nachrichten gibt. Jetzt scheint eher ein Zeitpunkt zu sein, Kursgewinne bei gut gelaufenen Aktien zu versilbern, als zu kaufen. Es kommen sicher noch günstigere Einstiegsmomente.
Wie gefällt Ihnen Ihr Newsletter? Sagen Sie uns, womit Sie zufrieden sind und wo wir noch besser werden können. Wir nutzen Ihr Feedback, um Ihren Newsletter stetig zu verbessern.
Viele Tourismusaktien haben sich deutlich erholt – aber nicht alle
Fluggesellschaften profitieren aktuell von knappen Kapazitäten
Online-Plattformbetreiber als langfristige Investmentchance
Viele Deutsche sehnen sich nach Sonne, Strand und Meer. Ob die Tourismusbranche aber ihren Aufschwung fortsetzt und die Vor-Corona-Niveaus übertreffen wird, ist nicht sicher. Inflation und Konjunkturflaute hemmen die Reiselust. Schon der nächste Urlaub könnte wieder bescheidener ausfallen. Daher sind Investments in Tourismusaktien eine Wette auf ein wieder freundlicheres Umfeld.
Zumindest einen Großteil der Buchungen für dieses Jahr haben die Reiseveranstalter und Fluglinien bereits im Kasten. Dies ist der Grund weshalb auch die Aktien von Fluggesellschaften wie Lufthansa und Ryanair seit Oktober 2022 stark gestiegen sind. So sieht Lufthansa-Chef Carsten Spohr den Konzern „wieder auf Kurs“ und erwartet „einen Reise-Boom im Sommer und im gesamten Jahr einen neuen Rekord bei unseren Verkehrserlösen.“ Am Ziel, im Jahr 2024 eine operative Marge (Ebit) von „mindestens acht Prozent“ zu erzielen, hält der Konzern fest. 2022 betrug sie 4,6 Prozent.
Urlaubsfreuden am Strand (Foto: Moment / Getty Images)
Laut Johannes Braun, Aktienanalyst bei der Investmentbank Stifel, profitiert Lufthansa derzeit von strukturellen Kapazitätsengpässen, welche die Ticketpreise und damit die Gewinne zusätzlich nach oben treiben. Beispielhaft nennt er „Lieferengpässe bei den Flugzeugherstellern und Lieferanten von Ersatzteilen, knappe Wartungskapazitäten und Personalknappheit bei Flughäfen“.
Anderen Quellen zufolge stehen weltweit allein rund 300 Airbus-Maschinen mit technischen Problemen am Boden. Die parkenden Maschinen sorgen für eine Angebotsverknappung, was die Preise in die Höhe treibt.
Kurzfristig ist die Lufthansa-Aktie aus einem weiteren Grund interessant: Der Konzern könnte wieder in den Dax aufsteigen. Am 5. Juni überprüft die Deutsche Börse ihre Indizes und setzt mögliche Änderungen zum 19. Juni um. Hält der gute Lauf der Aktie noch ein paar Tage an, könnte das Comeback gelingen. „Ein Aufstieg ist möglich“, meint Analyst Braun. Allerdings hängt dies auch von der Entwicklung der derzeit im Dax vertretenen Aktien ab. Mögliche Absteiger sind Continental und Covestro.
Vor drei Jahren, nach Ausbruch der Pandemie und dem Einbruch des Reisegeschäfts, musste Lufthansa die erste Börsenliga verlassen und wurde mit Milliarden-Beträgen vom Staat gerettet. Die Hilfen hat der Konzern inzwischen zurückgezahlt.
Die Meinungen der Analysten über die Aktie gehen weit auseinander. Zwar empfehlen viele den Titel zum Lauf, aber es gibt auch zahlreiche Halten- und Verkaufseinstufungen. Barclays sieht Luft nach oben bis 17 Euro, während Bernstein Research negativ gestimmt ist und ein Kursziel bei acht Euro nennt.
Was Anleger bei Investments in Flieger-Aktien nicht verdrängen sollten: Für Airlines ist es weitaus schwieriger als für anderen Branchen, Lösungen für Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu finden. Auch das drückt tendenziell deren Aktienkurse.
Seit Jahren abwärts geht es mit der Aktie von TUI. Die Pandemie hat den Sinkflug nur beschleunigt. Nach mehreren Kapitalerhöhungen hat der weltgrößte Reiseveranstalter inzwischen die staatlichen Hilfen vollständig zurückgezahlt und eine KfW-Kreditlinie zumindest reduziert.
Für den Sommer erwartet der Vorstand, dass die Kapazitäten wieder nah am Vor-Pandemie-Niveau liegen. Die Analysten bleiben allerdings skeptisch. Es gibt keine Kaufempfehlung. Bernstein Research ist neutral gestimmt mit Kursziel 6,80 Euro. Jefferies sieht Liquiditätsrisiken und sieht einen Kursverfall bis auf 2,10 Euro voraus.
Das Beispiel TUI zeigt: Bei Tourismusaktien ist Vorsicht angebracht. Es gibt allerdings auch Branchenteilnehmer, deren Geschäftsmodell auch in der Pandemie und im aktuell schwierigen Umfeld ganz gut funktioniert – zum Beispiel Amadeus IT und Booking Holdings.
Amadeus ITGroup ist der weltweit führende Betreiber von Buchungsplattformen und IT-Systemen für die Reisebranche. Die kürzlich veröffentlichten Zahlen zum ersten Quartal zeigen ein starkes Wachstum im Vergleich zum Vorjahresviertel. Zum Beispiel stiegen die wichtigen Flugbuchungen um ein Drittel. Vor allem das trug zum Umsatzsprung um 43 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro per 31. März bei.
Im Jahresverlauf dürfte das Wachstum aber nachlassen, weil dann mit den stärkeren letzten Quartalen 2022 verglichen wird. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 28,4 auf Basis des erwarteten Gewinns für 2023 ist der Titel nicht günstig. Daher sollten Rückschläge – bis vielleicht rund 50 Euro – für einen Kauf genutzt werden.
Günstiger bewertet ist Booking Holdings mit einem KGV von 20,6. Die Marktposition des auf Hotel- und Flugbuchungen ausgerichteten Online-Reiseportalbetreibers ist äußerst stark. In einigen Ländern hat Bookings eine monopolartige Stellung. Mit den Zahlen zum ersten Quartal übertraf der Konzern die eigenen Erwartungen und die der Analysten.
„Wir hatten einen starken Start ins Jahr“, sagt CEO Glenn Fogel. Die Analysten empfehlen mehrheitlich den Kauf der Aktie. Verkaufseinstufungen gibt es keine. Das mittlere Kursziel auf Sicht von zwölf Monaten liegt bei 2.870 Dollar oder umgerechnet 2.662 Euro. Bei einem aktuellen Preis von 2.452 Euro entspricht das einem Aufwärtspotenzial von 8,5 Prozent. Anleger mit Kaufinteresse warten einen Rücksetzer um etwa zehn bis 15 Prozent ab.
Fazit: Umsätze und Gewinne der Tourismusbranche nähern sich dem Vor-Corona-Niveau an. Die aktuell hohen Wachstumsraten dürften im zweiten Halbjahr aber wieder abklingen. Bei der Auswahl der Titel sollten Anleger zu Aktien von Unternehmen greifen, deren Geschäftsmodell intakt ist und die über eine starke Marktposition verfügen.
Die Bewertungsprämie ist gefallen, aber immer noch hoch
Während die einstige Wachstumslokomotive China mit schwachen Wirtschaftsdaten enttäuscht, schürt ein südlicher Nachbar neue Hoffnung: Indien wird laut der jüngsten Konjunkturprognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) in diesem Jahr um 5,9 Prozent wachsen. China traut der IWF hingegen nur noch eine Wachstumsrate von 5,2 Prozent zu. Nächstes Jahr dürfte Indien um 6,3 Prozent zulegen, das Reich der Mitte um 4,5 Prozent.
Zudem ist seit Ende April nicht mehr China, sondern Indien die bevölkerungsreichste Nation der Erde. Mit einem Durchschnittsalter von gerade einmal 27 Jahren ist Indien noch dazu deutlich jünger als China mit 38 Jahren. Häufig ist in diesem Zusammenhang von Indiens „demografischer Dividende“ die Rede, also einer ökonomisch besonders günstigen Altersstruktur.
Studien deuten allerdings darauf hin, dass es Indien bisher nicht gelungen ist, seine demografische Dividende voll auszuschöpfen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch und es bestehen Defizite im Bildungs- und Gesundheitsbereich.
Getreidefeld in Indien (Foto: dpa)
Unabhängig davon beweist Indiens Wirtschaft aus makroökonomischer Sicht Widerstandsfähigkeit: Der Verbraucherpreisindex sank im April auf 4,7 Prozent und damit auf den niedrigsten Stand seit Oktober 2021. Der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor stieg mit 62 Zählern sogar auf den höchsten Stand seit 2010.
Die gute Stimmung spiegelt sich am Kapitalmarkt wider: Gemessen an den jeweiligen MSCI Indizes haben indische Aktien den breiten asiatischen Markt seit April um rund acht Prozentpunkte übertroffen. Dennoch sollten Indien-Investments nur zur strategischen Diversifikation dienen.
Der Markt mag innerhalb seiner Region attraktiv erscheinen. Industrieländer haben sich im bisherigen Jahresverlauf aber besser entwickelt: Der MSCI World verzeichnet seit Jahresstart ein Plus von 6,95 Prozent, der MSCI India hingegen einen Verlust von minus 2,68 Prozent. Außerdem ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) indischer Aktien mit 22 weiterhin hoch.
Indiens größtes privates Unternehmen ist Reliance Industries. Der Mischkonzern wird an der Börse mit 188 Milliarden US-Dollar bewertet und ist in den Bereichen Erdölraffination, Petrochemie, am Immobilienmarkt und im Einzelhandel tätig, verkauft Lebensmittel, Kleidung und Unterhaltungselektronik. In der Telekommunikationsbranche betreibt Reliance mit seinem Konglomerat Network 18 ganze 56 TV-Kanäle in 15 Sprachen. Laut eigenen Angaben erreicht Network 18 mehr als 95 Prozent aller indischen Privathaushalte.
Reliance verzeichnete in dem am 31. März beendeten Quartal einen Nettogewinn von umgerechnet 2,3 Milliarden US-Dollar gegenüber knapp zwei Milliarden ein Jahr zuvor. Der Gewinn je Aktie lag bei 0,34 US-Dollar gegenüber 0,29 US-Dollar. Das KGV auf Basis des erwarteten Gewinns für 2023 beträgt 24.
Ein weiterer Gigant der indischen Börse ist Infosys. Der IT-Dienstleister kommt auf eine Marktkapitalisierung von rund 65 Milliarden US-Dollar. Zu seinen wichtigsten Geschäftsfeldern zählen Beratung in den Bereich IT-Architektur, Cloud Computing und Datenanalyse, Softwareentwicklung, Wartung und Outsourcing-Services.
Infosys konnte in seinem Ende März abgeschlossenen Geschäftsjahr 2023 den Konzernumsatz um 11,7 Prozent auf mehr als 18 Milliarden US-Dollar steigern. Das Ergebnis je Aktie lag allerdings mit 0,71 US-Dollar nur geringfügig über dem Vorjahresniveau von 0,70 US-Dollar.
Bereinigt man dieses Ergebnis um negative Währungseffekte, kletterte der Gewinn um zehn Prozent nach oben. Nichtsdestotrotz haben die jüngsten Zahlen ein Verkaufssignal ausgelöst und ließen den Kurs zwischenzeitlich um neun Prozent einbrechen. Das KGV für das Fiskaljahr 2023 liegt bei 25 und damit so günstig wie zuletzt 2020.
Tata Motors ist Teil des Mischkonzerns Tata Group und mit einem Marktwert von beinahe 23 Milliarden US-Dollar Indiens größter Automobilkonzern. Das Unternehmen ist gemessen an der Anzahl verkaufter Fahrzeuge Indiens Marktführer bei Nutzfahrzeugen. In der Pkw-Branche ist Tata der drittgrößte Anbieter nach Maruti und Hyundai.
Zur Tata-Gruppe, die nur ein Drittel ihres Gesamtumsatzes in Indien erwirtschaftet, gehören seit 2008 auch die weltweit bekannten Marken Jaguar und Land Rover. Aktuell arbeitet der Konzern an der Elektrifizierung seiner Flotte und erwägt den Bau eigener Zellfabriken in Indien und Europa.
Tata Motors hat in dem am 31. März beendeten Geschäftsjahr 2023 einen Jahres-Nettogewinn von umgerechnet rund 290 Millionen US-Dollar erzielt. Ende 2022 stand noch ein Nettoverlust von 1,4 Milliarden US-Dollar in den Büchern. Da sich das Unternehmen nach verlustreichen Jahren nun an der Gewinnschwelle befindet, erscheint es mit einem KGV von 67 extrem teuer.
Apple, Amazon, Microsoft und Alphabet sind derzeit stark gefragt
Oft bewegen sie den gesamten US-Markt
Worauf Anleger bei den vier Konzernen achten sollten
Flagship Store von Apple (Foto: dpa)
Tech-Werte gewinnen wieder an Attraktivität. Die US-Notenbank Fed macht es möglich: Weil die Märkte auf Zinssenkungen noch in diesem Jahr wetten, rückt der gesamte Sektor in den Vordergrund. Hohe Zinsen lasten besonders auf den Aktienkursen von hochbewerteten Tech-Unternehmen. Die Aussicht auf eine weniger straffe Geldpolitik wiederum hebt nun die Stimmung.
Dabei stören auch die Sorgen wegen einer möglichen Rezession oder wegen Problemen im Finanzsystem nur wenig. Im Gegenteil: Die Covidpandemie hat gezeigt, dass gerade die Tech-Konzerne sich auch bei Konjunktureinbrüchen relativ gut halten. Die US-Bank JP Morgan hat Big Tech neulich sogar zusammen mit Gold als möglichen „sicheren Hafen“ ausgemacht.
Und die DZ Bank meint: „Tech is back“. Aber was genau treibt den Sektor, der von den Schwergewichten Apple, Microsoft, Alphabet (Google) und Amazon angeführt wird? Welche Risiken lauern in dem Bereich? Und wie stehen die Chancen der einzelnen Unternehmen?
Zunächst: Die Entwicklung der sogenannten Big Four ist auch für Indexanleger entscheidend. Denn zusammen haben sie seit Jahren ein Gewicht, das um die 20 Prozent des S&P 500 schwankt und nach einem Rückgang zum letzten Jahreswechsel wieder gestiegen ist. Sie bewegen den gesamten US-Markt, der am Weltindex MSCI World einen Anteil von rund zwei Dritteln hat.
Anders als der originale S&P 500 mit plus neun Prozent seit Jahresbeginn hat die Variante „equal weight“, bei der alle Aktien gleich gewichtet sind, kaum zugelegt. Das zeigt: In der Breite ist der Markt gar nicht so stark, die Schwergewichte treiben den Kurs. Das führt aber zu einer insgesamt recht hohen Bewertung der US-Aktien – zu hoch nach Meinung einiger Experten wie der Analysten vom Bankhaus Lazard.
Die Tech-Welt insgesamt hat 2022 gelitten, weil viele der betreffenden Firmen vor allem von der Hoffnung auf künftige Gewinne und künftige Gewinnausschüttungen leben. Das heißt: Es dauert lange, bis Anleger ihr eingesetztes Geld zurückbekommen. Häufig wird in dem Zusammenhang auch von „long duration“ gesprochen.
„Long duration“ heißt auch: In den Analysemodellen der Aktienexperten, bei denen künftige Finanzrückflüsse auf den heutigen Wert umgerechnet werden, spielen die Zinsen eine große Rolle. Steigende Zinsen schaden besonders, die geldpolitische Wende sorgt nun aber für Entlastung. Die US-Tech-Börse Nasdaq hat seit Jahresanfang rund 26 Prozent gewonnen, weil die Anleger schon länger auf eine Zinswende hoffen, der breite US-Aktienindex S&P 500 hat dagegen nur rund neun Prozent zugelegt.
Mit Blick auf die Big Four muss man allerdings eine Einschränkung machen: Ihr Charme liegt gerade darin, dass sie in der Gegenwart schon hohe Gewinne machen. Auch die Rückflüsse sind nicht überall schlecht, bei Apple etwa können sich die Anleger über Aktienrückkäufe freuen.
Die erhoffte Stabilität spricht für die Big Four. Hinzu kommt die Faszination, die von Künstlicher Intelligenz (KI) ausgeht. Microsoft sorgt hier seit dem vergangenen Herbst mit dem Programm ChatGPT für Furore, das durch die Milliardenbeteiligung am Entwickler OpenAI abgesichert ist. Google hat sogleich mit dem Textroboter „Bard“ nachgelegt, und Amazon plant eine KI-Beratung für seine Kunden. Und die Erwartungen sind hoch, dass Apple nachzieht.
Anlegerinnen und Anleger sollten aber auch die Risiken nicht ausblenden: Die Bank of America sieht schon eine „kleine KI-Blase“ an der Börse. Und die Hoffnungen auf eine baldige Zinssenkung der Fed widersprechen den Aussagen einiger Notenbanken und den Einschätzungen vieler Ökonomen. Ein Überblick über die Big Four:
Apple: Der Konzern ist mit einer Bewertung von 2,8 Billionen Dollar der Tech-Riese schlechthin. Zum Vergleich: Der gesamte Deutsche Aktienindex (Dax 40) kommt nur auf einen Wert von 1,7 Billionen Euro. Auf Basis der Schätzungen für das laufende Geschäftsjahr liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) bei rund 30. Die Dividendenrendite ist mit 0,5 Prozent überschaubar.
Aber der Konzern glänzt durch regelmäßige Aktienrückkäufe: In den vergangenen zehn Jahren waren es gut 580 Milliarden Dollar, im Mai wurden weitere 90 Milliarden beschlossen. Eine starke Marke und hohe Kapitalrückflüsse: Damit ist die Aktie seit Jahren auch der Liebling des Star-Investors Warren Buffett.
Die Aktie liegt derzeit nur knapp unter ihrem Allzeithoch von rund 180 Dollar. Bei allen Superlativen sollte Anlegerinnen und Anlegern klar sein: Die guten Nachrichten sind schon im Kurs eingepreist – und es bleibt die Frage, wann Apple an Grenzen seines Wachstums stößt.
Microsoft: Der Bill-Gates-Konzern hat eine erstaunliche Fähigkeit gezeigt, immer wieder Innovationstreiber zu werden – wie auch jetzt beim Thema KI. Microsoft ist derzeit fast 2,4 Billionen Dollar wert. Das KGV liegt bei gut 20, die Dividendenrendite bei 0,9 Prozent. Eine solide Basis bietet das Cloud-Geschäft.
Alphabet: Der Börsenwert des Unternehmens liegt bei 1,6 Billionen Dollar. Das KGV ist mit 23 vergleichsweise überschaubar, eine Dividende gibt es nicht. Google, die entscheidende Konzerngesellschaft, spielt in Sachen KI ganz vorn mit. Letztlich darf man aber nicht übersehen, dass Google auch vom schwankungsanfälligen Werbegeschäft lebt. Allerdings hat der Konzern hier eine sehr starke Position.
Amazon: Der weltgrößte Einzelhandelskonzern, der zugleich stark vom Softwaregeschäft lebt, kommt auf einen Marktwert von 1,2 Billionen Dollar.
Der Konzern ist derzeit mit einem KGV von 74, wie so oft in seiner Geschichte, sehr hoch bewertet. Hier stellt sich die Frage, wie weit das durch künftiges Wachstum gerechtfertigt wird.
Frank Wiebe
Dax-Umfrage
Eine schnelle Korrektur gilt als unwahrscheinlich
Ungeachtet aller Skepsis hat der Leitindex einen Höchststand markiert – und die Rally kann noch weitergehen, wie eine Befragung Tausender Privatanleger zeigt.
Bulle und Bär (Foto: dpa)
Die abgelaufene Börsenwoche hat dem Dax neue Höchststände beschert. Das Frankfurter Börsenbarometer stieg am Freitag bis auf 16.332 Punkte und erreichte einen Schlussstand von 16.281 Zählern – jeweils Bestmarken.
Auf diesem Niveau dürfte sich der deutsche Leitindex halten, eine schnelle Korrektur ist ohne entsprechende Nachrichtenlage unwahrscheinlich, wie das Ergebnis der Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment zeigt. Diese wird wöchentlich unter inzwischen mehr als 8000 Privatanlegerinnen und -anlegern durchgeführt.
Mit dem Rekordhoch hat der Dax eine über einmonatige Seitwärtsbewegung abgeschlossen: Mehr als fünf Wochen lang bewegte er sich zwischen rund 15.650 und 16.000 Punkten. Auf eine solche Phase folgt häufig ein neuer Bewegungsimpuls, der oft umso stärker ausfällt, je länger die Seitwärtsbewegung dauert.
Zu sehen war das in der vergangenen Woche, in der der Dax in der Spitze um mehr als 400 Punkte oder 2,6 Prozent anstieg. Möglich war dieser Kursanstieg durch zwei Faktoren, erklärt Börsenexperte Stephan Heibel. Der Geschäftsführer des Analysehauses AnimusX wertet die wöchentliche Dax-Umfrage des Handelsblatts aus und ergänzt sie um weitere Indikatoren. Erstens: „Die Hoffnung auf eine baldige Einigung im US-Schuldenstreit hat die Rally genährt.“
Der zweite Grund für die Rally ist die schlechte Stimmung, erklärt Heibel. Viele Anleger würden die Kursentwicklung skeptisch sehen – immerhin ging es seit Jahresbeginn um nunmehr fast 17 Prozent aufwärts – und hätten sich für fallende Kurse positioniert. Dementsprechend sind viele Anleger unterinvestiert und müssen bei steigenden Kursen nachkaufen, um der Entwicklung nicht komplett hinterherzulaufen.
Dass große Skepsis ein Kontraindikator ist, ist eine der Grundannahmen der Sentiment-Theorie, bei der aus der Stimmungslage der Anleger Rückschlüsse auf die künftige Kursentwicklung gezogen werden. Heibel hatte darauf in seinen Auswertungen der Handelsblatt-Umfrage mehrfach aufmerksam gemacht. Daher kommt auch die Börsenweisheit, dass sich eine Rally entlang einer Wand der Sorge („Wall of Worry“) nach oben bewegt. Während die Kurse steigen, geben immer mehr Anleger ihre skeptische Haltung auf und sorgen dadurch für einen steten Strom an neuen Käufern.
„Der große Pessimismus der Vorwochen hat sich nun entladen“, sagt Heibel. „Wir sind jedoch noch weit entfernt von einer Euphorie und überschäumendem Optimismus, die zur Vorsicht mahnen würden.“
Denn das ist eine weitere Grundannahme der Sentiment-Theorie: Eine zu gute Stimmung ist ein Vorbote von fallenden Kursen, weil dann schon nahezu alle Anleger investiert sind und neue Käufer fehlen.
Nach der vergangenen Woche ist die Stimmung unter den Anlegern von null auf plus 3,9 Punkte gestiegen. Ab einem Wert von 4,0 zeigt das Sentiment Euphorie an. Das wäre einerseits ein Warnsignal, andererseits können Phasen der Euphorie lange anhalten. Darüber hinaus muss man die Anlegerstimmung im Gesamtkontext sehen, und hier zeigt sich, dass die Rally noch Luft nach oben haben könnte.
Denn die Selbstzufriedenheit ist zwar von minus 1,1 auf plus 1,7 Punkte gestiegen, liegt damit aber immer noch im moderaten Bereich. „Offensichtlich gibt es viele Anleger, die diese Rally nicht ausreichend antizipiert haben und nun zu wenig investiert sind, um davon ausreichend zu profitieren“, analysiert Heibel. Es gibt also noch potenzielle Käufer.
„Viele Anleger blicken ungläubig auf die Rally“, stellt Heibel fest. Denn die Liste an Problemen ist lang, mit dem Ukrainekrieg, der immer noch zu hohen Inflation, den dadurch stark gestiegenen Zinsen sowie dem unsicheren Wirtschaftsausblick.
Das zeigt sich auch in der pessimistischen Erwartungshaltung. Diese hat sich nach minus 3,3 Punkten in der Vorwoche nur geringfügig auf minus 2,9 verbessert. In drei Monaten rechnet nur knapp jeder vierte Befragte mit steigenden Kursen. Auch die Investitionsbereitschaft bleibt mit einem Wert von minus 0,5 Punkten gering. In der Vorwoche lag sie bei minus 1,0.
Diese Ergebnisse zeigen also insgesamt keine gefährliche Euphorie an. Vielmehr befürchten die Befragten weiterhin einen deutlichen Kursrückgang – und genau das spricht gegen einen Kurseinbruch und für moderat steigendende Kurse oder eine Konsolidierung auf hohem Niveau, erklärt Heibel: „Die große Skepsis, die sich im nach wie vor großen Pessimismus sowie in der schwachen Investitionsbereitschaft zeigt, dürfte einen stärkeren Rückschlag verhindern.“
Andreas Neuhaus
Fussball
BVB-Aktie auf Mehrjahreshoch
Erstmals seit elf Jahren könnte der deutsche Fußballmeister nicht Bayern München, sondern Borussia Dortmund (BVB) heißen. Das sorgte an der Börse in den vergangenen Tagen für einen Kurssprung: Die BVB-Aktie stieg seit dem Anfang der Woche um mehr als ein Viertel auf 5,76 Euro.
Es war das erste Mal seit November 2021, dass der Kurs die Marke von fünf Euro knackte. Dass Dortmund Meister werden kann, kommt überraschend. Bayern München hatte von 2013 bis 2022 zehnmal in Folge den Titel geholt. Der BVB übernahm am Sonntag durch einen 3:0-Sieg gegen Augsburg die Tabellenführung von den Bayern, die tags zuvor gegen Leipzig 1:3 verloren hatten. Mit einem Sieg gegen Mainz am kommenden Samstag kann Dortmund den Titel perfekt machen.
Die BVB-Aktie ist allerdings auch nach dem jüngsten Kurssprung weit von ihrem Ausgabepreis von elf Euro aus dem Jahr 2001 entfernt. In den vergangenen Jahren belasteten die Coronapandemie und die weggefallenen Zuschauereinnahmen den Kurs. Die Aktie stieg im Zuge dessen aus dem Kleinwerteindex SDax ab.
Anleihen
Neue Realität bei US-Staatsanleihen
Eigentlich gelten US-Staatsanleihen als Stabilitätsanker. Doch diesen Status könnten die Treasuries verlieren. Denn die jüngsten Schwankungen sind nach Ansicht der größten Anleihefondsmanager der Beginn einer neuen Ära der Turbulenzen. Sie werde so lange anhalten, bis die Währungshüter die Inflation nachhaltig unter Kontrolle gebracht haben.
Der Volatilitätsindex für den größten Bondmarkt der Welt ist bereits auf ein Niveau gestiegen, das zuletzt während der großen Finanzkrise beobachtet wurde. Von der Krise der US-Regionalbanken bis hin zum Streit um die Schuldenobergrenze hielten eine Vielzahl von Risiken die Fondsmanager im Jahr 2023 auf Trab.
Die US-Fondsriesen Blackrock und Vanguard sowie der weltgrößte private Anleiheinvestor, die Allianz-Tochter Pacific Investment Management (bekannt als Pimco), die zusammen Billionen von Dollar verwalten, sehen dies als die neue Realität an, mit der sich die Anleger womöglich auf Jahre hinaus auseinandersetzen müssen. Grund dafür sei der Kurswechsel der US-Notenbank Fed und die Erhöhung der US-Leitzinsen.
Seit 2009 hatte die Federal Reserve Billionen von Dollar an Anleihen aufgekauft, um das Wachstum zu stützen. Damit hat sie dazu beigetragen, die Volatilität zu senken. Aber sie hat auch eine Verschiebung zu passiven Investitionen im Anleihebereich angestoßen, mit denen sich während der Periode bescheidenen Wachstums und einer niedrigen Inflation gute Renditen erzielen ließen.
Nun profitieren die aktiven Anleihefonds wieder von der hohen Volatilität: Etwa 77 Prozent der Fonds mit einem Vermögen von über einer Milliarde Dollar übertreffen den Vergleichsindex Bloomberg US Agg. Vergangenes Jahr gelang dies nur 51 Prozent, in den vergangenen fünf Jahren durchschnittlich 65 Prozent.
Anleger können nach Einschätzung des Fondshauses Janus Henderson 2023 weltweit mit so hohen Ausschüttungen wie nie zuvor rechnen. Auch deutsche Firmen sind großzügig.
Produktion bei Volkswagen (Foto: dpa)
Aller Unsicherheit zum Trotz: Aktionäre dürfen sich in diesem Jahr wieder über hohe Dividenden freuen. Vor allem Autobauer, Banken und Ölförderer haben bereits begonnen, ihren Anteilseignern Milliarden auszuschütten.
Besonders freigiebig zeigen sich bisher Firmen in den USA. Auch in Europa ist die Hauptversammlungssaison in vollem Gang, von der gute Nachrichten erwartet werden. Viele Unternehmen zeigen mit hohen Dividenden, dass sie das schwierige Jahr 2022 recht gut weggesteckt haben.
So rechnet der britische Fondsanbieter Janus Henderson in einer Studie mit Rekordausschüttungen für 2023 von weltweit 1,64 Billionen US-Dollar. Die Auswertung liegt dem Handelsblatt vor. Allerdings werde sich der Anstieg der Dividenden infolge des Konjunkturabschwungs verlangsamen, warnen die Fondsmanager. Gleichwohl dürften diese Erträge auch langfristig für mehr Stabilität im Depot sorgen.
Dividenden erfüllen für Anleger mehrere Funktionen: Einerseits bringen sie laufendes Einkommen ähnlich den Zinserträgen von Anleihen. Zugleich können die Ausschüttungen die Rendite im Depot stabilisieren, wenn die Kurse wie im vergangenen Jahr absacken.
In Zeiten höherer Inflation schützen Aktien besser als Anleihen gegen Geldentwertung. Starke Unternehmen können höhere Preise, damit auch Umsätze und Gewinne durchsetzen. Allerdings gilt das nicht unbegrenzt. Vermögensverwalter verweisen auf eine Daumenregel: Liegt die Inflation längerfristig bei rund vier Prozent und steigen Anleihezinsen in der Folge höher als sechs Prozent, leiden Konjunktur und Firmengewinne.
„Das kräftige Dividendenwachstum im ersten Quartal ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass die Weltwirtschaft 2022 ein schwieriges Jahr mit hoher Inflation, steigenden Zinsen, Konflikten und anhaltenden Corona-Lockdowns erlebte“, kommentiert Ben Lofthouse, leitender Aktienexperte bei Janus Henderson.
Bereits in den ersten drei Monaten 2023 haben die börsennotierten Firmen weltweit mit gut 326 Milliarden Dollar so viel an ihre Aktionäre ausgeschüttet wie nie zuvor. Dank hoher Sonderdividenden vor allem von Firmen aus dem Autosektor, aber auch insgesamt gestiegener Zahlungen haben die Dividenden um deutliche zwölf Prozent zugelegt. Weltweit haben 95 Prozent der Firmen ihre Dividenden erhöht oder konstant gehalten.
Deshalb und weil weitere starke Ausschüttungen von Banken und Ölförderern zu erwarten sind, rechnen die Fondsmanager mit einem Anstieg der Dividenden um gut fünf Prozent im Jahr 2023. Zwar verlangsamte sich das Wachstum, es entspräche aber dem langfristigen Trend.
Mit knapp 80 Milliarden Euro – davon mehr als 80 Prozent im aktuell laufenden zweiten Quartal – schütten auch die rund 750 deutschen börsennotierten Unternehmen in diesem Jahr so viel aus wie noch nie. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Plus von gut zehn Prozent.
Insgesamt 26,8 Milliarden Euro an Dividenden verteilen sich auf die drei Autobauer BMW, Mercedes und VW. Sie stehen für 44 Prozent der Dividenden aller 40 Dax-Titel. Nie zuvor in der deutschen Wirtschaftsgeschichte war eine Branche so dominant.
Beeindruckend ist auch die hohe Dividendenrendite, das Verhältnis zwischen Ausschüttung und Kurs. Aktuell errechnet sich bei VW eine Dividendenrendite von 7,3 Prozent, bezogen auf die vergangenen zwölf Monate sind es 5,5 Prozent. Mercedes kommt auf sieben, BMW sogar auf gut acht Prozent.
Doch was vermeintlich gut ist und Anleger lockt, kann auch Gefahren bergen. Denn hohe Dividendenrenditen resultieren oft aus gesunkenen Aktienkursen. Sie sind damit eine Wette der Finanzmärkte darauf, dass die Geschäftsmodelle sich ändern, die Konzerngewinne sinken und die Unternehmen zu niedrigeren Ausschüttungen gezwungen werden. So könnte es bei den dividendenstarken Autobauern tatsächlich kommen, sollte es den Herstellern nicht gelingen, mit Elektroautos künftig ebenso viel Geld zu verdienen wie mit den Autos mit Verbrennungsmotor.
Auf der anderen Seite sind hohe Dividenden keineswegs immer ein Alarmsignal. „Unternehmen priorisieren derzeit – anders als bei vergangenen Krisen – die Ausschüttung von Dividenden an Investoren“, sagt Thomas Meier vom Vermögensverwalter Main First Asset Management.
Unter den Topzahlern des ersten Quartals weist Moller - Maersk die höchste Dividendenrendite mit gut 16 Prozent auf, sogar wenn die hohe Sonderdividende herausgerechnet wird. Der dänische Schifffahrtskonzern lässt Aktionäre am zweiten Rekordgewinn in Folge aus dem Jahr 2022 teilhaben, den er dank starker Nachfrage und hoher Frachtpreise erzielte. Nun versucht Moller allerdings, die Erwartungen für die Zukunft zu dämpfen. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von neun für erwartete Gewinne für 2023 ist niedrig. Analysten sind zumeist vorsichtig.
Das Unternehmen BHP ragt im von sinkenden Rohstoffpreisen gebeutelten Bergbausektor heraus mit einer nur leicht geringeren Ausschüttung und einer hohen Dividendenrendite von zwölf Prozent. Janus erklärt das mit relativ stabilen Kohlepreisen. Bei einem KGV von zehn sind die Analysten uneins über die weiteren Aussichten. Autobauer wie VW mit mittlerem einstelligen KGV empfehlen Analysten meist zum Kauf.
Anke Rezmer, Ulf Sommer
Zum Inhaltsverzeichnis
Deutsche Lufthansa
Plötzlich wieder Dax-Kandidat
Die Airline performt an der Börse wesentlich besser als die Konkurrenz. Es ist aber unwahrscheinlich, dass der Aufstieg in den Dax schon im Juni erfolgt.
Lufthansa-Maschine am Berliner Flughafen (Foto: dpa)
Die Lufthansa ist an der Börse wieder gefragt: Fast 70 Prozent hat die Lufthansa-Aktie in den vergangenen drei Jahren gewonnen. Damit hat sie alle anderen Airline-Aktien deutlich abgehängt und ist jetzt sogar wieder ein Kandidat für den Aufstieg in den Dax.
Über die Zusammensetzung ihrer Indizes entscheidet die Deutsche Börse turnusgemäß am 5. Juni. Bei der Juni-Überprüfung ziehen nur die Unternehmen neu in einen Auswahlindex ein, die sich an der Börse besonders gut entwickelt haben.
Um in den Dax der 40 größten deutschen Unternehmen aufzusteigen, muss der Börsenwert aller Aktien im Streubesitz mindestens auf Rang 33 aller rund 220 Unternehmen liegen, die sich prinzipiell für die Aufnahme in einen Index eignen. Die Lufthansa liegt nach Berechnungen der Stifel Europe Bank in der Börsenrangliste derzeit auf Platz 35.
Damit der Aufstieg gelingt, müsste die Lufthansa-Aktie laut Indexexperte Luca Thorißen bis Ende Mai um mehr als zehn Prozent steigen. Weichen müssten aus dem Dax in diesem Fall aus aktueller Sicht der Reifenhersteller Continental oder der Onlinemodehändler Zalando.
Dass die Lufthansa den Aufstieg schon im Juni schafft, ist eher unwahrscheinlich, doch bei der Indexüberprüfung im September gilt sie erneut als Kandidat. Auch Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat sich zuletzt mehrfach hoffnungsvoll gezeigt, was einen Wiederaufstieg angeht. „Die Aussichten für eine Rückkehr in den Dax stehen gut“, sagte er Anfang Mai bei der Hauptversammlung.
Bei einer internen Mitarbeiterversammlung schränkte er zwar kürzlich ein, dass die Platzierung unter den potenziellen Nachrückern in den Dax noch nicht reiche. Aber wenn es nicht schon im Juni klappe, gebe es im September eine neue Chance.
Die Lufthansa hatte im Juni 2020 im Zuge der Rettung durch den Staat und wegen des massiven Kurssturzes den Dax nach 32 Jahren verlassen müssen und war in den Nebenwerteindex MDax abgestiegen. Zwar wurde die Entscheidung damals vom Management relativ gelassen hingenommen, galt es doch zuallererst, das Aus des Airlinekonzerns zu verhindern. Für das künftige Wachstum ist es für den größten Airlinekonzern in Europa allerdings wichtig, in der Topliga der Börse dabei zu sein. Hier kann das Unternehmen mehr Investoren erreichen.
Möglich ist der Wiederaufstieg überhaupt nur deshalb, weil Lufthansa im Geschäftsbericht 2022 rückwirkend zwei wichtige Kennzahlen des Jahres 2021 „angepasst“ hat und damit die formalen Kriterien für einen Dax-Aufstieg erfüllt.
Neu in den Dax dürfen nur Unternehmen, die zwei Geschäftsjahre in Folge einen operativen Gewinn ausgewiesen haben. 2022 schloss die Lufthansa mit hohem Gewinn ab, doch 2021 war das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) ursprünglich negativ. Im aktuellen Geschäftsbericht, in dem auch die Zahlen von 2021 ausgewiesen werden, wurde aus einem Ebitda von minus 90 Millionen Euro jedoch eines in Höhe von plus 593 Millionen Euro.
Als Grund für diese „Anpassung“ wird im aktuellen Geschäftsbericht eine geänderte Definition wesentlicher finanzieller Kennzahlen genannt, „um dem Marktstandard zu entsprechen und die Transparenz der Berichterstattung weiter zu verbessern“. Unter anderem werden nun zum Beispiel Abfindungen oder Rechtskosten, die nicht aus normalen Geschäftsaktivitäten stammen, bereinigt.
Besser als im Dax lassen sich für Juni Wechsel im MDax der 50 größten Nebenwerte absehen. Evotec und die Software AG sind laut Thorißen als Aufsteiger „ziemlich sicher“.
Der Pharma- und Wirkstoffforscher Evotec konnte wegen eines Cyberangriffs seinen geprüften Geschäftsbericht nicht pünktlich vorlegen. Deshalb war Evotec Anfang Mai außerplanmäßig aus dem MDax und dem Technologieindex TecDax geflogen und notiert seither in keinem Index mehr.
Inzwischen hat Evotec den Jahresabschluss präsentiert und wird wieder seinen Platz einnehmen. Weichen müssen dafür laut Thorißen im MDax der Glasfaserspezialist Adtran und im TecDax der Linux-Softwareanbieter Suse.
Die Software AG wird laut Thorißen im MDax die Aktie des Immobilienunternehmens Aroundtown verdrängen. Dabei war die Software AG erst im März in den SDax abgestiegen. Seit April läuft jedoch ein Übernahmekampf, der den Aktienkurs seitdem um rund 70 Prozent in die Höhe katapultiert hat. Nach der Übernahme soll die Software AG indes von der Börse genommen werden.
Andrea Cünnen, Jens Koenen
Zum Inhaltsverzeichnis
Nachhaltiges Anlegen
So holen Sie sich CO2-Zertifikate ins Depot
Privatanleger können mithilfe spezieller Finanzprodukte auf steigende Kosten für CO2 wetten. Die Papiere eignen sich aber nur als Beimischung.
Experten sind sich weitgehend einig: Im Kampf gegen die Erderwärmung hilft vor allem die Bepreisung von Kohlendioxid (CO2). Wer das Treibhausgas emittiert, muss dafür bezahlen, weil der Allgemeinheit ein Schaden entsteht. Zugleich sollten Unternehmen und Haushalte, die den Ausstoß von CO2 vermeiden, belohnt werden.
Die Anreize dafür setzt der Handel mit Emissionszertifikaten. Nur wer einen Erlaubnisschein besitzt, darf eine Tonne CO2 ausstoßen. Die benötigten Zertifikate kauft ein Unternehmen an der Börse oder von einem anderen Unternehmen.
Damit das System dem Klima dient, definiert der Gesetzgeber eine Obergrenze an CO2, die alle Emittenten insgesamt ausstoßen dürfen. Anschließend reduziert die zuständige Behörde die Menge an Erlaubnisscheinen sukzessive. So sinkt auch die vorgegebene Obergrenze, sodass die Gesamtemission wie gewünscht sinkt.
Von dieser Entwicklung können Anleger profitieren. Denn weil die Emissionszertifikate mit der Zeit knapper werden, steigt ihr Preis, der sogenannte CO2-Preis. In der EU gibt es seit 2005 für bestimmte Branchen ein solches System. Der Preis bildet sich an der Energiebörse in Leipzig. Im Februar stieg er erstmals über 100 Euro. Aktuell beträgt er etwa 86 Euro; Mitte 2021 lag er bei etwa 20 Euro.
Nach Auffassung von Johannes Maier, Portfolio Manager bei Bantleon, ist ein steigender CO2-Preis „ein fundamentaler Trend“. Denn: „In den nächsten Jahren wird eine über den bisherigen Planungen liegende Verknappung des Angebots an Zertifikaten den Preis in die Höhe treiben“, sagt er. Anleger hätten die Chance auf eine attraktive Rendite.
Tatsächlich entschied die EU, die Anzahl der umlaufenden CO2-Zertifikate ab 2024 stärker zu senken. Das knappere Angebot wirkt tendenziell preiserhöhend. Obwohl der CO2-Preis auch von politischen, technologischen und konjunkturellen Entwicklungen abhängt, „dürfte er weiter steigen“, betont Maier.
Anleger, die diese Meinung teilen, können Produkte auf den CO2-Preis kaufen. Beispiele sind die Zertifikate von WisdomTree (ISIN: JE00BP2PWW32) und HVB (ISIN: DE000HW6C025) sowie der Faktor-Optionsschein von Société Générale (ISIN: DE000SB37KX8).
Es handelt sich um Schuldverschreibungen. Das heißt: Eine Pleite des Anbieters kann zum wirtschaftlichen Totalverlust für Anleger führen. Die Laufzeit ist jeweils endlos.
Das Produkt von Wisdom Tree ist ein börsengehandelter Rohstoff (ETC). Es repliziert einen Index, der die Wertentwicklung von Future-Kontrakten auf die Emissionszertifikate der EU abbildet. Regelmäßig werden die im Index gehandelten Futures in die nächsten Kontrakte gerollt. So bleibt es für den Anleger bei einem Finanzgeschäft.
Laut Factsheet per 31. März ist das Produkt für Anleger mit Kosten verbunden. Ein Beispiel verdeutlicht deren Höhe. Seit Auflage des ETC am 20. August 2021 ist der Index um 34,92 Prozent gestiegen und das ETC nach Kosten um 30,71 Prozent. Das vergleichbare HVB-Zertifikat kostet jährlich 1,95 Prozent für die Verwaltung.
Bei dem Société-Générale-Vehikel partizipiert der Anleger mit einem Hebel von drei an der Entwicklung des Basiswertes – hier eines Future-Kontrakts auf den EU-CO2-Preis an der Terminbörse in Atlanta. Das Papier ist nur für risikobereite Anleger geeignet. Steigt der Basiswert um ein Prozent, legt der Faktor-Optionsschein um drei Prozent zu.
Dieser positive Hebel wirkt auch in die andere Richtung. Sinkt der Basiswert um ein Prozent, verliert der Faktor-Optionsschein drei Prozent. Im Extremfall droht der Totalverlust
Zudem sind Faktor-Optionsscheine in stark schwankenden Märkten sowie für langfristige Anlagen nicht geeignet, da sich negative Entwicklungen stärker auswirken: Sinkt der Kurs an einem Tag bei einem Einsatz von 100 Euro und einem Hebel von drei um fünf Prozent, bleiben noch 85 Euro. Steigt der Kurs am nächsten um fünf Prozent, hat der Anleger 97,75 Euro – bleibt also ein Verlust von 2,25 Prozent.
Das Société-Générale-Produkt wendet sich daher nur an Anleger, die aktuell einen steigenden CO2-Preis erwarten und von diesem Trend schnell profitieren möchten. Auch auf kurzfristige Entwicklungen können Spekulanten reagieren, sollte die Politik zum Beispiel eine Verknappung der Emissionszertifikate im EU-Handelssystem beschließen.
Insgesamt können Produkte auf den CO2-Preis eine interessante Depot-Beimischung sein. Um ihre Klimaziele zu erreichen, muss die EU die umlaufenden Emissionserlaubnisscheine mittel- bis langfristig reduzieren, was tendenziell deren Preis erhöht.
Andererseits kann die Politik jederzeit korrigierend eingreifen, wenn sie zum Beispiel der Meinung ist, dass ein hoher CO2-Preis Arbeitsplätze in der emissionsintensiven Industrie gefährdet. Dann könnte sie die Anzahl der Zertifikate im Markt erhöhen – der Preis dafür würde sinken. Daher sind Finanzprodukte auf den CO2-Preis eine Wette auf strenge klimapolitische Vorgaben.
Fügen Sie bitte die E-Mail-Adresse geldanlage@redaktion.handelsblatt.com Ihrem Adressbuch oder der Liste sicherer Absender hinzu. Dadurch stellen Sie sicher, dass unsere Mail Sie auch in Zukunft erreicht.