Wann sich ChatGPT fĂĽr Firmen lohnt | Wie KI-Chips den Wettbewerb bestimmen | Wo die Politik jetzt liefern muss
Falls Sie unsere E-Mail nicht oder nur teilweise lesen können, klicken Sie bitte hier.
Freitag, 25.08.2023
Larissa Holzki
Lesezeit: 7 Minuten
Guten Tag liebe Leserinnen und Leser,
endlich geht es los! Wir starten heute das Handelsblatt KI-Briefing. Ich bin Larissa Holzki und leite das neue KI-Team des Handelsblatts. Ab sofort befassen wir uns in der Redaktion noch intensiver mit allen Innovationen und Entwicklungen rund um Künstliche Intelligenz, und das Wichtigste daraus lesen Sie jeden Freitag in diesem Newsletter.
Warum das wichtig ist: Was gerade passiert, betrifft uns alle. Das kann ich Ihnen an meiner eigenen Geschichte erklären.
Ich habe jetzt den spannendsten Job meines Lebens. Dabei waren schon die vergangenen Jahre nicht schlecht. Ich durfte Raketenfabriken besuchen, geheime Drohnenvorführungen verfolgen und war mit Europas ambitioniertesten Gründern beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron im Élysée-Palast.
Als Technologie-Reporterin habe ich von vielen Plänen gehört, die von ihren Machern als Revolutionen verkauft wurden. Oft stand jedoch nach einigen kritischen Fragen fest, dass ihr Umwälzungspotenzial überschaubar war. Darüber habe ich dann meistens nicht berichtet.
Heute geht es wieder um eine Revolution. Und dieses Mal ist alles anders:
KI wird den Job verändern, den ich liebe.
KI wird das Unternehmen durchrütteln, für das ich arbeite.
Und KI wird alle betreffen, über die wir berichten und die sich bei uns informieren.
Keiner weiß heute, wie genau. Aber all das ist noch lange kein Grund zur Sorge. Im Gegenteil.
Wie arbeiten wir in Zukunft? (Foto: HB*)
Es ist bemerkenswert, in welchem Tempo führende Technologiefirmen in den USA die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz vorantreiben. Spannend wird sein, zu sehen, wie China aufholt. Bei der generativen KI, zu der Programme wie ChatGPT gehören, liegt das Land trotz Milliardenförderung für die Technologie bisher zurück.
Die große Frage, die mich vor allem beschäftigt, lautet: Was ist mit Europa? Droht uns eine verhängnisvolle Abhängigkeit?
Die Antwort: Das kann durchaus passieren. Die führenden KI-Basismodelle kommen aus den USA, die leistungsfähigsten Chips kommen aus den USA und die meiste Rechenpower zum Trainieren von Modellen ebenfalls.
Ich bin aber davon überzeugt, dass Europa eine historische Chance hat. Denn die aktuellen Modelle sind vor allem mit gigantischen Datensätzen aus dem Internet entwickelt worden. Mit den darauf basierenden Chatbots lässt sich prima plaudern. Sie können E-Mails entwerfen, passable Schülerreferate halten und haben in Tests auch schon Abiturprüfungen bestanden.
Aber das ist alles erst die Demo-Show. Damit die Modelle systematisch Arbeitsabläufe und Geschäftsmodelle verändern, müssen sie lernen, was nur Experten und Unternehmen selbst wissen. Diese Daten liegen nicht im Internet oder bei US-Techkonzernen, sondern zum Beispiel bei deutschen Mittelständlern. Und sie selbst können entscheiden, was sie daraus machen und mit wem.
Denn es gibt durchaus deutsche Start-ups, die sich jetzt als Entwicklungspartner positionieren. Wie sich die Pioniere Aleph Alpha aus Heidelberg und Nyonic aus Berlin schlagen, werden wir natürlich eng verfolgen.
KI ist ein Werkzeug – und keine unsichtbare Supermacht. Jetzt ist die Zeit, um auszuprobieren, was wir damit anfangen können. In der Redaktion testen wir zum Beispiel gerade, ob wir mit Künstlicher Intelligenz noch schneller von wichtigen Ereignissen erfahren können und ob es cool ist, wenn das Handelsblatt künftig mit einer künstlichen Stimme zu Ihnen spricht. (Wenn Sie dazu eine Meinung haben, schreiben Sie mir gern eine E-Mail.)
Klar ist: Die KI-Entwicklung verläuft rasant. Das macht es schwierig, wegweisende Entscheidungen zu treffen. Die besten Voraussetzungen dafür haben Sie aber, wenn Sie gut informiert sind. Für alle, die ständig informiert bleiben wollen, haben wir eine Themenseite mit allen aktuellen KI-Texten eingerichtet. Die finden Sie hier.
Ab nächster Woche starten wir diesen Newsletter dann jeden Freitag mit der wichtigsten Nachricht der Woche.
Ich freue mich darauf!
P.S.: Sollte ich mich in Sachen unsichtbare Supermacht doch getäuscht haben, lesen Sie es auf jeden Fall im KI-Briefing.
Feiyu Xu (r.) beim Terrassengespräch (Foto: Max Brunnert)
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) arbeitet offenbar an seinem KI-Verständnis. Die frühere KI-Chefin von SAP, Feiyu Xu, hat zuletzt mehrfach mit dem Kanzler über Künstliche Intelligenz gesprochen. „Ich denke, zwischen März und Juni gibt’s schon einen Unterschied“, verriet sie am Donnerstag im Düsseldorfer Terrassengespräch beim Handelsblatt.
Vom Bundeskanzler hört man bisher sehr wenig zum Thema KI. Dabei wäre zu erwarten, dass die Technologie in diesen Zeiten Chefsache ist.
Und das steht dahinter:
Feiyu Xu will drei Themen auf die Agenda der Bundesregierung bringen: Erstens würden zu viele Forschungstalente aus Deutschland in die USA abwandern. Zweitens bräuchte es in Europa mehr High-Performance-Rechenzentren, in denen kommerzielle KI-Modelle trainiert werden können. Und drittens fordert sie, dass die Bundesregierung selbst Kunde bei KI-Unternehmen wird. „Wenn man das nicht versteht und nicht benutzt, wird man auch nicht unterstützen.“
Zwar hat Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) ebenfalls am Donnerstag einen „Aktionsplan Künstliche Intelligenz“ vorgelegt und angekündigt, dass die Recheninfrastruktur ausgebaut werden soll. Doch aus der Szene gab es umgehend Kritik, die Pläne der Ministerin seien „äußerst schwammig formuliert“, berichten Barbara Gillmann und Jürgen Klöckner.
Ab Dienstag treffen sich Scholz und die Bundesminister zur Kabinettsklausur in Meseberg. Dort soll Stark-Watzinger nochmal erklären, was sie genau vorhat. Auch andere Minister sollen ihre Pläne mitbringen. Gut wäre, wenn am Ende einer eine echte Zukunftsstrategie daraus macht (und nichts, was klingt wie die Ideensammlung für ein Sommerfest in der Grundschule).
Wie führt man KI-Sprachmodelle in Unternehmen ein? Die Frage treibt seit der Veröffentlichung von ChatGPT immer mehr Unternehmen in Deutschland um. Sie sehen darin vor allem eine Chance, interne Daten besser durchsuchbar zu machen. Deshalb haben wir uns bei Experten umgehört, welche Modelle es gibt, wofür sie sich eignen und was bei der Einführung zu beachten ist. Nachdem mein Kollege Christof Kerkmann jetzt so viel über firmeneigene Sprachmodelle weiß, hoffe ich insgeheim, dass er als nächstes das Projekt HandelsblattGPT angeht... Träumen Sie auch von einem FirmenGPT?
Dann finden Sie hier die wichtigsten Infos.
KI soll das Wissensmanagement in Firmen verbessern. (Foto: HB*)
Bei dm gibt’s jetzt ein eigenes ChatGPT für Mitarbeiter. Das firmeneigene „dmGPT“ basiert auf dem Sprachmodell von OpenAI. Für die Einführung hat sich das Management auch aus Sorge vor einem Datenabfluss entschieden. Alle Mitarbeiter hätten die neuen Möglichkeiten von generativer KI ausprobieren wollen, heißt es – das sollen sie nun besser in der Cloud-Umgebung des Unternehmens tun. Und dm-Chef Christoph Werner erhofft sich viel davon: „Das wird ein richtiger Turbo sein für die Art und Weise, wie wir zu neuen Ideen kommen und die Qualität unserer Prozesse verbessern.“
Die Details hat Florian Kolf recherchiert.
Chips haben oder nicht haben, das ist hier die Frage! Unternehmen und Start-ups, die schnell an leistungsfähige KI-Chips kommen, haben gerade einen enormen Wettbewerbsvorteil. Meine Kollegen Joachim Hofer, Thomas Jahn und Stephan Scheuer sind der Sache nachgegangen und schreiben: Die Nachfrage ist so gewaltig, dass das Spitzenprodukt H100 für 30.000 Dollar pro Stück verkauft wird – bei Produktionskosten von schätzungsweise 3000 Dollar. Ich hoffe, Sie haben den größten Profiteur dieses KI-Hypes im Depot: Nvidia.
Hurra Hilfe, die Robotaxis kommen. Für die GM-Tochter Cruise verläuft der Start ihrer kommerziellen Robotaxis völlig anders als geplant. Nach einem Zusammenstoß mit einem Feuerwehrfahrzeug, einer Fahrt in eine Baustelle und dem Stiften von Verkehrschaos muss Cruise die Flotte halbieren. Wer daran seine wahre Schadenfreude haben könnte, wissen Stephan Scheuer und Thomas Jahn.
KI verändert die Spielregeln im Gaming. Mit neuen KI-Tools können Entwickler schneller und besser Computerspiele entwickeln als je zuvor. Dadurch verändert sich das Machtverhältnis zwischen großen und kleinen Studios. Alex Möthe war bei der Spielemesse Gamescom in Köln, wo KI dieses Jahr das Top-Thema ist. Jetzt hofft er auf die ganz große Chance für Games-Entwickler in Deutschland.
In einer Umfrage wollten Gedankenfabrik und Appinio von 1300 Menschen wissen, was sie für einen ChatGPT-Zugang aufgeben würden, den sie jederzeit bei der Arbeit nutzen dürfen. Diese Antwort hat uns besonders überrascht.
ChatGPT hat KI zum Allzweckwerkzeug gemacht. Bis vor Kurzem waren KI-Tools spezialisiert. Die modernen Sprachmodelle sind völlig anders. (Ars Tecnica)
Forscher übersetzen mit Elektroden und KI Hirnaktivität in Sprache. Menschen, die nicht mehr sprechen konnten, schaffen mit den neuen Implantaten 60 bis 80 Wörter pro Minute – dreimal mehr als bisher möglich. (FT)
Meta bringt ein eigenes KI-Coding-Programm heraus. Der Facebook-Konzern sagt, es werde damit einfacher, Code zu Ende zu schreiben. Das klingt nach einem Tool für schludrige Entwickler. (The Verge)
Französische KI-Gründer erhalten 235 Millionen Dollar. Das Geld für Hugging Face, eine Plattform für Entwickler, Forscher und Fans, kommt von Google, Amazon, Nvidia, Intel, AMD, Qualcomm, IBM, Salesforce... Kurz: den wichtigsten KI-Investoren der Welt. (Venture Beat)
Handelsblatt KI-Community: Sie wollen mit uns zum KI-Profi werden oder die großen KI-Fragen mit anderen diskutieren? Dann kommen Sie doch zu unseren Veranstaltungen. Nächste Woche können Sie zum Beispiel in einem zweistündigen Seminar lernen, wie Sie richtig gute „Prompts“, also Befehle für ChatGPT, schreiben. Alle weiteren Termine
finden Sie hier.
Am Ende jedes KI-Briefings präsentiere ich Ihnen außerdem Menschen, Tipps und Events, von denen Sie wissen sollten.
Frauke Goll (Foto: AppliedAI)
Wer ist Frauke Goll? Sie ist die neue, zweite Geschäftsführerin des AppliedAI Institute for Europe. Zusammen mit Andreas Liebl steht sie jetzt an der Spitze des gemeinnützigen Unternehmens.
Wo kommt sie her? Vom FZI Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe. Dort hat Frauke Goll mehr als fünf Jahre lang die Abteilung für Innovation, Strategie und Transfer geleitet. Außerdem hat sie eine Reihe Projekte initiiert, die Zusammenarbeit an Innovationen fördern: den Digital Hub Karlsruhe Applied Artificial Intelligence, den European Digital Innovation Hub Artificial Intelligence & Cybersecurity und das Mittelstand-Digital Zentrum Klima.Neutral.Digital.
Was hat sie vor? Das Duo Goll & Liebl will Entscheidungsträger und Anwender in Sachen KI weiterbilden und Startups und Studierende in diesem Bereich unterstützen. Wichtig ist ihnen auch, das Thema vertrauensvolle KI voranzutreiben.
Bestimmt haben Sie schon ausprobiert, wie Sie ChatGPT als Sparringspartner nutzen können. Das geht ganz einfach, etwa beim Vorbereiten eines Bewerbungsgesprächs. Sie können zum Beispiel schreiben:
„Ich bin HR-Manager und will ein Bewerbungsgespräch führen. Welche 10 Fragen soll ich der Kandidatin stellen, um herauszufinden, ob sie für die Stelle als Veranstaltungsmanagerin geeignet ist?“
Die Ergebnisse in meinem Testlauf waren allesamt brauchbar. Eine der zehn Fragen lautete: „Erzählen Sie von einer Veranstaltung, bei der etwas schiefgelaufen ist. Wie haben Sie reagiert und was haben Sie daraus gelernt?“
Noch besser werden die Antworten, wenn Sie ChatGPT mehr Infos zu sich und Ihrem Unternehmen geben. Falls Sie einen Premium-Account haben, geht das jetzt noch einfacher. Sie können dem Chatbot nämlich ein paar Dinge sagen, die er sich dauerhaft „merken“ soll.
Für Nutzer in Deutschland wird die Funktionen gerade nach und nach freigeschaltet. In meiner iPhone-App funktioniert das schon: einfach auf „Settings“ gehen, dann „Custom Instructions“ anklicken – und schon können Sie festlegen, was ChatGPT über Sie wissen und wie es antworten soll.
Am Montag geht es nach Heilbronn. Dort soll mit dem Innovation Park Artificial Intelligence (IPAI) „ein Zentrum für KI mit internationalem Format“ entstehen. Finanziert wird das Megaprojekt von der Dieter Schwarz Stiftung und dem Land Baden-Württemberg.
Jetzt soll in Anwesenheit von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), der auch für die digitale Infrastruktur zuständig ist, eine „zukunftsweisende strategische Partnerschaft in der anwendungsorientierten KI-Forschung“ angekündigt werden. Das schauen wir uns mal näher an!
So soll der IPAI einmal aussehen. (Foto: IPAI/MVRDV)
*KI-Hinweis: Die Bilder aus der Begrüßung und im Abschnitt zum „dmGPT“ hat mein Kollege Michel Becker mit dem Bildgenerator Midjourney erstellt. Seine Eingabe zu der verkabelten Person: „lernende Intelligenz“. Und zum futuristischen Büro: „futuristic office with ai and humans“. Bei den Gesichtern hat die KI ein bisschen geschwächelt. Wir üben noch.
Vielen Dank für das Lesen unserer heutigen Ausgabe!
Mit Handelsblatt Meine News können Sie unserer Berichterstattung zu den Themen folgen, die Sie am meisten interessieren.
Spannende Podcasts und Wirtschaftsnachrichten zum Anhören finden Sie hier.
Fügen Sie bitte die E-Mail-Adresse ki.briefing@redaktion.handelsblatt.com Ihrem Adressbuch oder der Liste sicherer Absender hinzu. Dadurch stellen Sie sicher, dass unsere Mail Sie auch in Zukunft erreicht. Weitere hilfreiche Informationen zu unseren Newslettern finden Sie in unserem FAQ. Informationen zum Datenschutz finden Sie hier.
