Containerhafen von Felixstowe in Großbritannien (Foto: dpa)
Seit meiner ersten Reise nach London vor rund 40 Jahren besitzt diese Stadt einen besonderen Platz in meinem Herzen. Als Teenager faszinierten mich die Popmusik und der Modestil. Als Master-Student die Debattenkultur an meiner Londoner Hochschule und ja, auch die fröhlichen Abende im Pub. Als Journalist schließlich die wirtschaftliche Dynamik und das gelassene Nebeneinander der unzähligen Kulturen und Religionen.
Keine Sorge, ich werde das Morning Briefing nicht zum privaten Urlaubsblog umfunktionieren. Aber ich möchte ihnen kurz von den bangen Gefühlen berichten, mit denen ich in der vergangenen Woche nach London gereist bin – zum ersten Mal seit Brexit und Corona. Würde ich eine Metropole im Niedergang erleben, gelähmt durch eine bornierte Politik der Abschottung?
Tatsächlich, so mein Eindruck, hat sich kaum etwas geändert. Noch immer wird in London gebaut, gestaltet, geforscht, gefeiert und Geld verdient wie in keiner anderen europäischen Metropole. Getroffen habe ich dort Bekannte, er ist Experte für Supercomputer, sie Anwältin mit Harvard-Examen, die gerade mit ihren vier Kindern nach London übergesiedelt sind. Weil es ihnen in den USA schlicht zu langweilig wurde. Und weil sie zur Religionsgemeinschaft der Sikh gehören, die in London über 100.000 Anhänger zählt.
Was müsste Deutschland tun, damit sich zum Beispiel in Berlin eine ähnliche Dynamik entwickelt wie in London? Gibt es diese Option überhaupt – oder schließen Pfadabhängigkeiten sie aus? Wären wir in Deutschland jemals bereit, all das Hässliche, Hungrige und Harte auszuhalten, das eine solche „Global City“ eben auch ausmacht?
Zu meinem Eindruck, dass London immer noch swingt, passt die Story unseres dortigen Korrespondenten Torsten Riecke: Drei Jahre nach dem offiziellen Austritt Großbritanniens aus der EU sieht die Britische Handelskammer in Deutschland (BCCG) erstmals Anzeichen für eine Trendwende in den Brexit-geschädigten Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern. Mit Blick auf die nächsten fünf Jahre geht fast die Hälfte der 136 Firmen, die von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und der BCCG befragt wurden, von steigenden Umsätzen aus. Jetzt Artikel lesen...
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Bestimmte Produkte sind in deutschen Supermärkten nicht mehr vorrätig. (Foto: dpa)
Bei Edeka liegen keine Schokoriegel von Mars mehr in den Regalen, bei Aldi fehlen Cremes von Nivea. Dass Händler und Hersteller im Kampf um die Preise gerade über Kreuz liegen, spüren Kunden bei jedem Einkauf.
Lieferstopps sind wie Armdrücken zwischen Konsumgüterproduzenten und Supermarktketten – in dieser Disziplin zeigt sich, wie stark eine Marke wirklich ist. Nur weil Mars-Riegel bei einem Händler in Deutschland fehlen, werde eine solch starke Marke nicht bedroht, so der Marketingexperte Christoph Spall. Bei weniger profilierten Marken ohne Monopolposition in den Köpfen der Kunden seien die Folgen größer. Das bekommt zum Beispiel Pepsi zu spüren. Seit es keinen Pepsi-Nachschub mehr gibt, steigt bei den Edeka-Kaufleuten der Umsatz mit Getränken vom Marktführer Coca-Cola.
Zudem profitieren Eigenmarken wie „Ja“ oder „Gut & Günstig“ von den Lieferstopps. Laut Marktforscher GfK hatte Markenware im ersten Quartal einen Umsatzanteil von 54 Prozent. Im Gesamtjahr 2021 waren es noch 59,4 Prozent. Das entspricht acht Milliarden Euro Umsatzrückgang. Jetzt Artikel lesen...
Straßenszene in der philippinischen Hauptstadt Manila (Foto: Misereor)
Von der Strahlkraft ihrer Marken profitieren seit Jahrzehnten die deutschen Autohersteller. Der Nimbus von Mercedes, BMW und Co. erlaubt üppige Preisaufschläge im Vergleich zu Wettbewerbern – bei dennoch hohen Marktanteilen. Doch tatsächlich gibt es auch wachstumsstarke Märkte, in denen die deutschen Hersteller einen ähnlichen Exotenstatus besitzen wie hierzulande Jaguar oder Alfa Romeo.
Überschaubare 0,7 Prozent beträgt der addierte Marktanteil der deutschen Autohersteller etwa auf den Philippinen. In vielen anderen asiatischen Märkten sieht es nicht besser aus, wie unsere Grafik zeigt. Dort dominieren zumeist japanische Marken. Die deutschen konzentrieren sich lieber auf China, wo für sie inzwischen aber kaum noch Wachstum möglich ist.
Vielleicht lässt sich aus dieser verpassten Chance in den kommenden Jahren eine zweite Chance machen – die Elektrorevolution wirbelt schließlich auch in den asiatischen Wachstumsmärkten die gewohnten Markenloyalitäten der Autokäufer durcheinander. Wovon bislang allerdings vor allem chinesische Produzenten profitieren. Jetzt Artikel lesen...
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In der Türkei verwandelt sich gerade die zweite in eine verpasste Chance: Der nationalistische Politiker Sinan Ogan hat seine Wählerinnen und Wähler gestern aufgerufen, bei der Stichwahl ums Präsidentenamt am 28. Mai für Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan zu votieren. Ogan hatte in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl gut fünf Prozent der Stimmen bekommen. Damit hat Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu kaum noch Chancen, die Stichwahl zu gewinnen. Die Zeichen in der Türkei stehen auf „Weiter So“. Jetzt Artikel lesen...
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Bertram Rickmers, Chef der Rickmers Reederei (Foto: dpa)
Er stand für Glanz und Niedergang einer großen Hamburger Schifffahrtsdynastie: Der Hamburger Reeder Bertram Rickmers ist tot. „Herr Rickmers verstarb völlig überraschend in der Nacht zu Montag zu Hause“, heißt es in einer Mitteilung an die Belegschaft seiner Asian Spirit Steamship Company, aus der die Deutsche Presse Agentur zitiert. Zunächst hatte „Bild“ berichtet. Demnach war Rickmers in der Familienvilla eine Treppe hinabgestürzt.
Die Asian Spirit Steamship Company war für Rickmers der Versuch eines Neuanfangs, nachdem die von ihm geführte Rickmers Holding 2017 Insolvenz anmelden musste. Sein Bruder Erck Rickmers ist weiterhin im Reedereigeschäft tätig.
Beherzigen Sie heute die alte Seemannsregel: Eine Hand zum Festhalten – eine für das Schiff.
Herzliche Grüße
Ihr
Christian Rickens Textchef Handelsblatt
PS: Nach der Ablösung von Staatssekretär Patrick Graichen in der vergangenen Woche steht nun sein Nachfolger fest: der Grünen-Politiker Philipp Nimmermann. Gelingt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck damit ein schneller Schlussstrich unter der Affäre Graichen? Was müsste Habeck sonst noch tun, um aus seinem derzeitigen Umfragetief herauszukommen? Und welche Konsequenzen sollten aus dem Fall Graichen gezogen werden? Schreiben Sie uns Ihre Meinung in fünf Sätzen an
forum@handelsblatt.com. Ausgewählte Beiträge veröffentlichen wir mit Namensnennung am Donnerstag gedruckt und online.
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